Endlich Ruhe: Wie Kleinkinder schlafen lernen können

Köln (dpa/tmn) - «Und, wie war deine Nacht?» Dieser Satz ist unter Müttern kleiner Kinder so häufig wie ein «Hallo!». Denn über den Schlaf ihrer Kinder können sich Eltern stundenlang austauschen - oder eher: ausheulen. Das eine Kind wird alle drei Stunden wach, weil es vermeintlich Hunger hat, das andere findet 4.00 Uhr morgens eine fabelhafte Spielzeit. Kein Wunder, dass das Interesse an Schlaf-Lern-Programmen groß ist. Ein Allheilmittel sind sie aber nicht.

Gibt es einen Monat lang mindestens dreimal pro Woche beim Einschlafen oder nachts Geschrei, sind die Kinder tagsüber quengelig und die Eltern geschafft, könne von einer Schlafstörung gesprochen werden, erklärt Alfred Wiater, Schlafmediziner am Krankenhaus Porz am Rhein in Köln. Für Stephan Eichholz zählt vor allem der Leidensdruck der Eltern: Es sei normal, dass Kleinkinder nachts aufwachen. Wecken sie ihre Eltern aber regelmäßig und sind die nach vielen Nächten mit wenig Schlaf übermüdet, «wird das zu einer Schlafstörung», sagt der Leiter des Kinderschlaflabors im Städtischen Krankenhaus Dresden-Neustadt.

Zunächst sollten Eltern ein Schlaftagebuch für ihr Kind führen. Ist der Nachwuchs nachts hellwach, liegt das möglicherweise daran, dass er tagsüber zu viel schläft. Das lässt sich so überprüfen. Im Schnitt braucht ein 12 Monate altes Kind nachts 11,5 Stunden Schlaf, tagsüber etwa 2,5 Stunden. Außerdem empfiehlt sich ein Gesundheitscheck beim Arzt. In seltenen Fällen sorgen körperliche Beschwerden für schlechten Kinderschlaf. Meistens aber hat er andere Gründe.

«Mit einem halben Jahr kann ein Kind in der Regel durchschlafen», sagt die Psychologin Angelika Schlarb von der Universität Tübingen. Die Schlafprogramme sollen Kindern genau das beibringen.

Das wohl bekannteste Schlaftraining ist die Ferber-Methode, die auf den Schlafmediziner Prof. Richard Ferber aus Boston zurückgeht. Kernstück ist ein fester Behandlungsplan. Das Kind wird abends nach einem Einschlafritual wach in sein Bett gelegt. Die Eltern verlassen das Zimmer. Weint das Kind, kommen sie nach wenigen Minuten zurück, versuchen kurz, es zu beruhigen, und gehen wieder. Die Abstände zwischen den Beruhigungsversuchen werden immer weiter ausgedehnt.

Auf dieser Methode basieren verschiedene Schlafprogramme: Die Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin rätEltern, in der ersten Nacht erst 2, dann 5, 10 und schließlich 15 Minuten verstreichen zu lassen, bevor sie ihr Kind im Bett beruhigen. Ab der vierten Nacht erhöht sich der Abstand auf 30 Minuten. Im Bestseller «Jedes Kind kann schlafen lernen» werden die Schreizeiten auf maximal 10 Minuten verkürzt. Bei der «Freiburger Sanduhrmethode» bleiben die Eltern höchstens 9 Minuten weg.

Die Schlafprogramme sind unter Eltern hoch umstritten. Manche schwören auf sie, weil ihr Kind nach wenigen Nächten durchschläft. Andere berichten von Dramen, etwa von Kindern, die so hysterisch brüllten, dass sie sich übergeben mussten. Ein Vorwurf ist, dass das Vertrauen der Kinder durch das lange Schreien-Lassen gestört werden kann. Alfred Wiater rät, Schlaftrainings nicht starr umzusetzen.

«Falls sich die Problematik darunter weiter verstärken sollte, machen sie keinen Sinn.» Außerdem sollten Eltern das Training nur dann anwenden, wenn sie davon überzeugt sind.

Einen individuelleren Ansatz verfolgen Wissenschaftler aus Tübingen mit dem Schlafprogramm Mini-KiSS. Es richtet sich an Kinder im Alter von sechs Monaten bis vier Jahre und dauert sechs Wochen. Die Eltern lernen, wie sie ihrem Kind bei Schlafproblemen helfen können, wie sie am besten auf nächtliches Schreien reagieren - und selbst mit der Belastung fertig werden. Inzwischen wird das Programm auch online angeboten.

Am Anfang steht die Frage, warum ein Kind nachts schreit. Ruft es nach seinem Personal, das ihm etwas bringen soll? Probiert es aus, wie viel Macht es über seine Eltern hat? Schreit es aus Angst oder aus Gewohnheit? Diese Unterscheidung sei wichtig, sagt Angelika Schlarb. Ein Kind, das vor Angst schreit, dürfe nicht allein gelassen werden. «Kommen die Eltern nicht, kann sich die Angst verstärken, und das kann zu depressiven Symptomen führen.»

Einem ängstlichen Kind könne es helfen, nachts Licht brennen zu lassen. Stofftiere können um das Bett herum postiert werden und aufpassen. Schreit ein Kind nachts, um seine Macht zu testen, sollten Eltern ihm tagsüber ab und zu seinen Willen lassen, rät Schlarb.

Im Laufe des Trainings lernen Eltern, was sie in der Nacht besser nicht tun sollten: Zum Beispiel, beim ersten Pieps des Kindes aufspringen, statt abzuwarten, ob es alleine wieder einschläft. Oder es aus dem Bett zu nehmen, statt dort zu beruhigen. «Denn dadurch wird es erst richtig wach», sagt Eichholz. Spielen und fernsehen sind nachts tabu. Und kein Elternteil muss sich zwingen, mitten in der Nacht noch eine Geschichte vorzulesen oder stundenlang neben dem Kinderbett zu sitzen.

Die Tübinger Wissenschaftler haben ihr Programm jetzt evaluiert. Nach sechs Wochen lagen die Kinder nachts weniger lang wach, sie schliefen insgesamt länger, bekamen seltener eine Flasche und wurden weniger herumgetragen. Nur in einem Punkt fiel der Erfolg mager aus: Viele der Kinder schliefen immer noch im Elternbett. «Eltern scheint es schwerzufallen, sich davon zu trennen», sagt Schlarb.

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