Placebos genauso wirksam wie Medikamente?
Der Medizinhistoriker Thomas Jütte startete eine Umfrage unter Hausärzten in Bayern über ihre Verschreibungsgewohnheiten. In der Studie "Placebo in der Medizin" kam Erstaunliches zu Tage.
So ist es im ärztlichen Alltag in Bayern mit 88 Prozent aller Ärzte Routine, dem Patienten Placebos statt echter Medikamente zu verschreiben – Placebos, die lediglich ein Vitaminpräparat oder ein homöopatisches Mittel enthielten, an das der Mediziner oft selbst nicht glauben würde.
Was im ersten Moment schockierend wirkt – die Erfolgsquote kann sich sehen lassen: In über 50 Prozent aller Fälle haben Placebos eine heilende Wirkung. So helfen die Zuckerpillen laut der Studie beispielsweise bei 59 Prozent der Patienten mit Magengeschwüren, bei Depressionen erreichen Placebos annähernd die gleiche Wirksamkeit wie Psychopharmaka, nämlich bei jedem dritten Patienten – und dies völlig ohne Nebenwirkung.
Doch wie ist dieses Verhalten der Ärzteschaft einzuordnen?
Thomas Jütte beschäftigt sich in seiner Studie eingehend mit der Frage, ob der Einsatz von Scheinmedikamenten ethisch vertretbar ist, da ein Arzt seinem Patienten kein echtes Arzneimittel vorenthalten darf. Der Einsatz von Placebos sei nur gerechtfertigt, wenn der Erkrankte lediglich leichte Beschwerden habe, der Einsatz eines Scheinmedikaments Erfolg verspreche und zudem keine pharmazeutische Therapie zur Verfügung stehe. Der Autor stellt die hohe Wirksamkeit und das Vermeiden unerwünschter Nebenwirkungen als durchaus positiv heraus.
Auch Christoph Fuchs, früherer Hauptgeschäftsführer der Bundesärztekammer ist überzeugt, dass Placebos viel stärker und komplexer wirken als bisher angenommen. Deshalb sei ihr Einsatz von besonderer Bedeutung für die ärztliche Praxis.
Kann die vermeintliche Täuschung doch dem Wohl des Patienten dienen? Dennoch bleibt die Frage offen, was denn nun genau die Heilung einer Erkrankung auslöst?