Antibiotika bei Hähnchen - Minister schlägt Alarm

Düsseldorf (dpa) - Der für Menschen riskante Einsatz von Antibiotika in der Tiermast ist einer Studie zufolge in der Hähnchenzucht die Regel. Bei einer Untersuchung fast aller Hähnchenmastbestände in Nordrhein-Westfalen entdeckten Gutachter, dass mehr als 96 Prozent der Tiere mit Antibiotika behandelt worden waren. Das berichtete Nordrhein-Westfalens Verbraucherschutzminister Johannes Remmel (Grüne) am Dienstag in Düsseldorf.

Seinen Angaben zufolge ist das Gutachten für sein Ministerium das erste in Deutschland, das den Einsatz von Antibiotika in der Hähnchenmast systematisch untersucht hat. «Das Ergebnis verursacht bei mir eine dauerhafte Übelkeit», sagte Remmel.

Das alarmierende Ausmaß übertreffe alle bisherigen Annahmen und erfordere einen nationalen Maßnahmenplan, sagte Remmel. Falls Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) nicht zügig handle, werde NRW «über den Bundesrat dafür sorgen, dass die notwendigen Gesetzesreformen in Angriff genommen werden».

Das Bundesverbraucherministerium nannte die Ergebnisse in einer Mitteilung besorgniserregend. Es forderte die Bundesländer auf, von ihren zahlreichen Überwachungs- und Sanktionsmöglichkeiten mit aller Konsequenz Gebrauch zu machen. Sollten die Instrumente im Kampf gegen unsachgemäßen Antibiotikaeinsatz nicht ausreichen, sei das Bundesministerium aber selbstverständlich bereit, mit den Ländern über Verbesserungen zu sprechen.

Die Studie erfasst laut Remmel in Nordrhein-Westfalen 15,2 Millionen von insgesamt 19 Millionen Hähnchen in fast 1000 Ställen. Dies sei eine vollständige Erhebung aller relevanten Betriebe, die Ergebnisse seien bundesweit übertragbar, erläuterte der Minister. Die Daten waren zwischen Februar und Juni dieses Jahres vom Landesumweltamt erhoben worden.

«Jahrelang ist von der Geflügelwirtschaft und der Bundesregierung immer wieder versichert worden, dass der Einsatz von Antibiotika in der Tiermast nur die Ausnahme sei», sagte Remmel. «Jetzt haben wir es schwarz auf weiß: Antibiotika-Einsatz ist die Regel.» Die Studie habe auch gezeigt: Je kleiner der Betrieb, desto seltener werden Antibiotika eingesetzt.

Laut Arzneimittelgesetz dürfen Antibiotika nur zur Behandlung kranker Tiere eingesetzt werden. Aigner hatte nach Bekanntwerden derersten NRW-Ergebnisse bereits in der vergangenen Woche angekündigt, die Vergabe von Antibiotika besser zu erfassen, insgesamt einzuschränken und engmaschiger zu kontrollieren. Seit Anfang des Jahres wird in einer zentralen Datenbank die Arzneimittelverwendung bei Schweinen und Rindern erfasst, bislang aber nicht bei Geflügel.

Der Deutsche Bauernverband und der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft teilten mit, dass sie bereits eine Initiative zur besseren Überwachung von Antibiotika in der Geflügelzucht ergriffen hätten. Ziel sei es, den Einsatz in den kommenden fünf Jahren um 30 Prozent zu verringern. Deutsche Geflügelprodukte könnten aber trotz der Antibiotika «bedenkenlos verzehrt werden», heißt es in einer in Berlin veröffentlichten Mitteilung der Verbände. Dies sei auch vom Bundesamt für Risikokontrolle bestätigt worden.

Die Aufnahme von Antibiotika über die Nahrung kann bei Menschen dazu führen, dass sie bei einer Krankheit nicht mehr wirken. «Nach Angaben des Robert Koch-Instituts sterben jährlich über 15 000 Menschen in Deutschland wegen multiresistenter Keime», warnte Remmel.

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