Mediziner: Konkurrenzkampf um Patienten muss aufhören

Leipzig (dpa) - Nach der tödlichen Infektionswelle auf einer Bremer Frühchenstation haben Mediziner die Branche zum Umdenken aufgefordert. «Die Kliniken müssen endlich aufhören, um Hochrisiko-Patienten zu konkurrieren. Wir brauchen im Umkreis von 100 Kilometern keine vier Frühchen-Intensivstationen. Wir brauchen eine einzige, die dafür aber medizinisch wie personell auf dem allerhöchsten Niveau arbeitet», sagte der Neonatologe Prof. Gerhard Jorch am Mittwoch zu Beginn eines Kongresses der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensivmedizin und Notfallmedizin (DIVI) in Leipzig. Unter dem Motto «Fortschritt und Verantwortung» geht es hier bis kommenden Samstag (3. Dezember) vor allem um Kinder- und Jugendmedizin.

Seit April waren immer wieder frühgeborene Babys auf der Intensivstation des Klinikums Bremen-Mitte mit einem multiresistenten Keim infiziert worden. Drei Frühchen starben, mehrere erkrankten schwer. Das Gesundheitsamt und die Gesundheitssenatorin erfuhren erst im September und Anfang November von den Vorfällen. «Ob mangelnde Hygiene, zu wenig Personal oder gleich mehrere Faktoren die Ursache für die tragischen Todesfälle in Bremen waren: Aus Sicht der DIVI zeigt das Beispiel Bremen in jedem Fall, dass die Versorgung von Frühgeborenen verbessert werden muss», hieß es. Potenzial dafür gebe es aber nicht nur in Bremen.

Jorch zufolge ist die Neugeborenen-Sterblichkeit insgesamt in Deutschland zwar sehr gering, in den einzelnen Bundesländern jedoch sehr unterschiedlich. Im vorigen Jahr starben den Angaben zufolge in Deutschland von 670 000 lebend geborenen Kindern mehr als 1500 in den ersten vier Wochen und weitere 470 im ersten Lebensjahr. Vor allem müsse untersucht werden, warum es so deutliche regionale Unterschiede mit sehr niedriger Sterblichkeit in Mitteldeutschland und hoher Sterblichkeit in Nordwestdeutschland gebe, sagte Jorch, der in Magdeburg die Universitätskinderklinik leitet.

In Sachsen-Anhalt starben 2010 von 17 300 Neugeborenen 25 Babys in den ersten 28 Tagen. In Thüringen waren es von 17 527 Kindern 23, und in Sachsen starben von 35 091 Neugeborenen 40. In Rheinland Pfalz gab es 31 574 Geburten, 58 Babys starben innerhalb der ersten 28 Tage. In Nordrhein-Westfalen wurden im vergangenen Jahr 147 333 Kinder geboren, von denen 412 die ersten 28 Tage nicht überlebten. Damit liegt die Sterberate pro 100 000 Neugeborenen in Nordhein-Westfalen wesentlich höher als in Sachsen-Anhalt.

Eine mögliche Ursache für regionale Unterschiede sieht Jorch in der hohen Zentralisation in der Krankenhauslandschaft. In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gebe es beispielsweise nur sieben hochspezialisierte Standorte zur Frühchenbehandlung. Andernorts seien es deutlich mehr. «Wir haben weniger Perinatalzentren, aber bessere Ergebnisse», sagte Jorch.

Der DIVI gehören mehr als 1500 Mitglieder an, darunter Anästhesisten, Neurologen, Chirurgen, Internisten, Kinder- und Jugendmediziner sowie Krankenpfleger.

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