Zahl der Suizide rückläufig - Experte: Viele Ärzte zu unsensibel

Hamburg (dpa) - In Deutschland sterben jährlich mehr Menschen durch Suizid als durch Verkehrsunfälle. Darauf machen Experten zum Internationalen Welt-Suizid-Präventionstag an diesem Samstag aufmerksam.  Allein 2009 nahmen sich nach Angaben des Statistischen Bundesamtes mehr als 9600 Menschen das Leben. «Suizid ist kein Tabuthema mehr, doch es fehlt an konkreten Maßnahmen und sensiblen Ärzten», sagte Georg Fiedler vom Nationalen Suizidpräventionsprogramm in Hamburg in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Lange Wartezeiten bei Ärzten und Therapeuten erschwerten die Situation.

Nach Angaben von Experten tötet sich weltweit alle 31 Sekunden ein Mensch selbst. In Deutschland versucht etwa alle vier Minuten ein Verzweifelter, sich das Leben zu nehmen. Zu den Risikogruppen zählen unter anderem Kranke, Alte, Drogen- und Alkoholabhängige, aber auch Menschen mit Migrationshintergrund. Am Nationalen Suizidpräventionsprogramm beteiligen sich mehr als 80 Organisationen.

«Viele Menschen sind sehr unsicher, wie sie reagieren sollen, wenn jemand über Suizid nachdenkt oder sich verdächtig äußert», sagte Fiedler vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Der Psychologe empfiehlt daher auch Angehörigen oder Freunden den Besuch einer Beratungsstelle, etwa eines sozialpsychiatrischen Dienstes. «Rund um die Uhr ist außerdem die Telefonseelsorge erreichbar.» Bei konkreten Suizidplänen könnte zum Beispiel in einem Krankenhaus mit psychiatrischer Abteilung Hilfe gesucht werden.

Häufig leiden die Gefährdeten unter einer psychischen Krankheit. «Das allein ist jedoch nicht der Grund», so Fiedler. Es kämen viele Faktoren zusammen: Erinnerungen an früh erlebte Ablehnung oder Trennungen könnten im späteren Leben wieder aufkommen und ein Auslöser sein, dem Leben selbst ein Ende zu setzen. «Menschen reagieren sehr unterschiedlich. Was für den einen eine Lappalie, ist für den anderen eine dauerhaft schmerzliche Erinnerung.» Auch Arbeitslosigkeit oder große Umbrüche - etwa der Niedergang der DDR - können bei seelisch Angeschlagenen Suizidgedanken fördern.

Viele Menschen gestehen sich ihre psychische Krankheit nicht ein oder sprechen nicht darüber, sagte Fiedler. «Die Haltung "Ich bin doch nicht verrückt" ist noch immer weit verbreitet.» Dennoch scheinen Gefährdete instinktiv nach Hilfe zu suchen. «Dreiviertel aller, die einen Suizidversuch unternommen haben, haben in den vier Wochen zuvor einen Arzt aufgesucht.» Viele Ärzte würden die Patienten aber falsch einschätzen und die Gefahr nicht rechtzeitig erkennen.

«Die Ärzte müssen eine viel höhere Sensibilität entwickeln.»Trotz allem gibt es dem Psychologen zufolge Hinweise auf eine schrittweise Besserung. Langfristig gehen Suizide zurück, wie die Statistiken zeigen. So nahmen sich 1998 noch mehr als 11 600 Menschen das Leben. Verantwortlich für den Rückgang sind laut Fiedler vor allem Fortschritte in der Medizin: «Es gibt immer bessere Medikamente und der Ruf der Kliniken als "Irrenanstalten" geht zurück. Die psychiatrische Versorgung rückt so näher an die Menschen heran.»

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