Regierung will Sucht eindämmen - Onlineabhängigkeit als Krankheit

Berlin (dpa) - Die Sucht nach Alkohol, Tabak, Schlafmittel, Internet und Automaten hält Millionen Menschen fest im Griff - die Regierung setzt mit einer neuen Strategie voll auf Aufklärung und Beratung. Einem Kurs mit Werbeverboten, höheren Steuern auf Alkohol oder härteren Strafen für Schnapsverkauf an Jugendliche erteilte die Drogenbeauftragte Mechthild Dyckmans (FDP) eine Absage. Onlinesucht soll nach ihrem Willen offiziell als Krankheit eingestuft werden. Spielgeräte in Gaststätten sollen verringert werden. Zur Tabakwerbung gab es bei der Verabschiedung der Nationalen Strategie zur Drogen- und Suchtpolitik am Mittwoch im Kabinett eine Kontroverse.

«Riskantes Konsumverhalten nimmt immer mehr zu», warnte Dyckmans. Die Beratungsstellen zwischen Küste und Alpen müssten neue Angebote an besonders betroffene Gruppen machen. Neue Modellprojekte gebe es etwa für alkoholabhängige Senioren, für trinkende Schwangere, für Aufklärung in Betrieben, für Migranten mit Suchtproblemen. Insgesamt seien die Bundesmittel für Prävention und solche Projekte in den vergangenen Jahren leicht auf derzeit insgesamt 12,25 Millionen Euro gesunken. Dyckmans rief Kommunen und Länder auf, Modellprojekte später auch mit eigenen Mitteln umzusetzen.

Insgesamt trinken 9,5 Millionen Menschen in Deutschland gefährlich viel. Fast jeder dritte Mann und eine von fünf Frauen rauchen. Rund drei Millionen Menschen sind problematisch oft im Internet oder schon abhängig davon. Einzelne Kliniken hätten sich schon darauf spezialisiert, sagte Dyckmans. «Das läuft dann immer über eine Einklassifizierung als psychische Erkrankung.»

Sie unterstütze Bemühungen, Onlinesucht als eigenständige Krankheit anzuerkennen. Dann müssten die Krankenkassen die Behandlung bezahlen. «Das ist neu», lobte der Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen, Raphael Gaßmann. Zunächst sollten Eltern und Lehrer angehalten werden, gegen ständiges Surfen von Kindern und Jugendlichen einzutreten.

In Punkto Tabakwerbung gab es Streit im Kabinett. Ein Vorstoß des CSU-geführten Verbraucherschutzministeriums, die Werbung auch auf Großflächen im Freien zu verbieten, scheiterte nach Angaben Dyckmans unter anderem am FDP-geführten Wirtschaftsressort. Die Debatte über Werbeverbote für Alkohol will die Regierung nicht wieder aufleben lassen. Dyckmans lobte die Selbstverpflichtung der Wirtschaft, Alkoholwerbung nicht an Jugendliche zu richten. «Aber es muss noch bekannter werden.»Angesichts einer halben Million Menschen mit Glücksspiel-Problemen setzt Dyckmans auf eine Karte, mit der Süchtige vom Spiel ausgeschlossen werden können. Zudem soll die Zahl der bis zu 70 000 Spielautomaten in Gaststätten, Tankstellen, Einkaufszentren und Flughäfen stark reduziert werden. Entsprechende Pläne würden mit dem Wirtschaftsressort abgestimmt.

Die Drogenexpertin der FDP-Fraktion, Christine Aschenberg-Dugnus, unterstrich das Ausbleiben eines «Verbote- und Bevormundungsrundumschlags». Der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft lobte, dass es keine ideologisch motivierten Ziele gebe. Der Linke-Experte Frank Tempel warf Dyckmans Lippenbekenntnisse vor. Der Suchtexperte Gaßmann sagte der Nachrichtenagentur dpa, die Strategie konzentriere sich auf an Appelle an Konsumenten. «Das ist fachlich eine sehr enge Festlegung.»

Experten fordern seit langem verstärkte Sanktionen bei Verstößen gegen den Jugendschutz und ein Zurückdrängen von Alkohol in der Werbung. Der neuen Aktionsplan war seit Jahren angekündigt. Er ersetzt einen Plan von 2003. Seither sind der Pro-Kopf-Verbrauch von Alkohol und das Rauchen leicht zurückgegangen.

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