Merkel gegen Abschaffung von Praxisgebühr - Werben für Steuerpläne

Die Debatte über die Verwendung der Milliarden-Überschüsse in den Sozialkassen geht in eine neue Runde. An der Praxisgebühr wird aber vorerst nicht gerüttelt. Umstritten bleiben Beitragssenkungen. Die Rekordabgaben der Arbeitnehmer heizen zudem den Steuerstreit an.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lehnt die FDP-Forderung nach Abschaffung der Praxisgebühr für Arztbesuche ab. Die Kanzlerin habe derzeit nicht die Absicht, die Praxisgebühr abzuschaffen, sagte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter am Freitag in Berlin. «Im Moment ist das für sie kein Thema.» Zugleich warb die Bundesregierung für ihre Steuersenkungspläne und forderte SPD- und Grünen-geführte Länder zum Ende ihrer Blockadepolitik auf.

Der Kanzlerin komme es gegenwärtig darauf an, dass das Geld der Beitragszahler beisammengehalten werde. Auch müssten Belastungen der Versicherten durch Zusatzbeiträge in Zukunft nach Möglichkeit verhindert werden, erklärte Streiter. Merkel sei es wichtig, dass die Gesamtlast aus Sozialversicherungsbeiträgen unter 40 Prozent bleibe. 2013 würden die Beitragssätze vermutlich weiter sinken.

Zuvor hatte sich Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) angesichts der Milliardenüberschüsse in Sozialkassen erneut für eine Abschaffung der Praxisgebühr von 10 Euro pro Quartal und gegen Beitragssenkungen in der Krankenversicherung ausgesprochen. «Den Wegfall der Praxisgebühr spüren die Bürger mehr als eine kleine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge», sagte Bahr der Zeitung «Die Welt».

«Die Überschüsse in den Sozialversicherungen sind das Geld der Versicherten und Patienten», betonte Bahr. Davon sollten sie profitieren - entweder durch Leistungsverbesserungen oder durch Entlastungen. Die Praxisgebühr habe ihren Zweck nicht erfüllt.

In der Unionsfraktion gibt es weiter Differenzen über den Umgang mit den Milliarden-Überschüssen. Fraktionsvize Michael Fuchs (CDU) forderte in mehreren Zeitungen weitere Beitragssenkungen Anfang 2013. Der Gesundheitsexperte der Unionsfraktion, Jens Spahn (CDU), warnte vor einem leichtfertigen Umgang mit dem Finanzpolster.

Die beim Gesundheitsfonds liegende Rücklage müsse zuerst als Vorsorge für wirtschaftlich schlechtere Zeiten dienen, sagte Spahn. Eine ersatzlose Abschaffung der Praxisgebühr werde abgelehnt. Die teils enormen Rücklagen einzelner Kassen sollten aber in Form von Prämien an die Versicherten ausgeschüttet werden. Dies könnte auch über einmalige «Erfolgs-Prämien» 2012 oder 2013 erfolgen.

Der Vorsitzende der Partei «Die Linke», Klaus Ernst, forderte, die Praxisgebühr unverzüglich abzuschaffen. Er werde FDP-Chef Philipp Rösler auffordern, einem entsprechenden Antrag der Linken im Bundestag zuzustimmen: «Das ist kurzfristig möglich.»Dank der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt haben die Sozialkassen insgesamt im vergangenen Jahr einen Überschuss von 13,8 Milliarden Euro erzielt - das höchste Plus seit fünf Jahren. Zugleich mussten Arbeitnehmer aber so viele Abgaben an Staat und Sozialkassen zahlen wie nie. 2011 musste ein Arbeitnehmer im Schnitt 9943 Euro abführen. Abzüge aus der Lohnsteuer stiegen stärker. 2011 fielen aber auch höhere Beitragssätze zur Arbeitslosen- und Krankenversicherung an.

Die höheren Lohnsteuerabzüge sind aus Sicht von Schwarz-Gelb ein Beleg dafür, dass die Effekte der «Kalten Progression» beziehungsweise dieser «heimlichen Steuererhöhungen» gemindert werden müssten. Dies wollen Union und FDP über Steuersenkungen von jährlich sechs Milliarden Euro erreichen. Die Opposition lehnt dies ab.

Ohne Zustimmung der von SPD und Grünen regierten Länder scheitern die Pläne. Streiter sagte: «Wer den von der Bundesregierung angestrebten Abbau der "Kalten Progression" blockiert, der versündigt sich ja irgendwie auch an den Steuerzahlern.»

Der rheinland-pfälzische Finanzminister Carsten Kühl (SPD) bekräftigte dagegen: «Steuersenkungen sind nicht der richtige Weg, um der teilweise hohen Abgabenlast von Arbeitnehmern zu begegnen.» Wenn es um die eigenen Sozialversicherungskassen gehe, drehe der Bund gerne an der Beitragsschraube. Die angeblich nötige Entlastung bei den Steuern hingegen sollen Länder und Kommunen mitbezahlen.

Das Problem der «Kalten Progression» entsteht, wenn eine Lohnerhöhung nur den Preisanstieg ausgleicht. Die Kaufkraft des Arbeitnehmers steigt dann real nicht, durch den progressiven Tarif bei der Einkommensteuer muss er aber mehr an den Fiskus zahlen.

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