Masernpartys - Riskantes Mittel auf dem Weg zur Immunität

Bonn (dpa/tmn) - Es passiert beim Sprechen, Husten oder Niesen. Per Tröpfchen werden die Masernviren übertragen, gewöhnlich dauert es 10 bis 14 Tage, bis die Krankheit ausbricht. Die ersten Anzeichen wirken oft harmlos: Schnupfen, Husten, Fieber oder eine Bindehautentzündung. Doch dann, nach einigen Tagen, entsteht der typische Hautausschlag mit bräunlich-rosafarbenen Flecken und weißen Flecken auf der Mundschleimhaut: Spätestens jetzt wird es klar – die Patientin oder der Patient hat Masern.

Besonders häufig betroffen sind laut der Statistik Erwachsene über 20 Jahren und Kinder unter 5 Jahren. Bei sogenannten Masernpartys möchten von Zeit zu Zeit manche Impfgegner ihre gesunden Kinder «kontrolliert» bei kranken Kindern infizieren und danach eine lebenslange Immunität sichern. Sie halten in Internetforen Masern für eine «harmlose Kinderkrankheit» und sehen in einer «natürlich herbeigeführten Infektion» Vorteile gegenüber der Impfung. Nach Einschätzung von Ärzten dagegen ist eine Masernerkrankung deutlich riskanter als die Masernimpfung. In manchen Ländern werden Masernpartys gar als Körperverletzung verfolgt.

«Ich kann es überhaupt nicht nachvollziehen, dass eine Mutter ihrem Kind freiwillig die Masern wünscht», sagt die Kinderärztin Katja Schneider aus Bonn. «Masern sind eine äußerst schwerwiegende Erkrankung, können unwiderrufliche Schäden hervorrufen und in Einzelfällen sogar tödlich verlaufen.» Zu den häufigsten Komplikationen zählen Mittelohr- und Lungenentzündungen. Besonders warnen Mediziner vor der akuten postinfektiösen Gehirnentzündung (Enzephalitis), zu der es nach Beobachtungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) in etwa 0,1 Prozent der Fälle kommt.

Sie tritt etwa vier bis sieben Tage nach Auftreten des Ausschlags mit Kopfschmerzen, Fieber und Bewusstseinsstörungen bis zum Koma auf. Bei etwa 10 bis 20 Prozent der Betroffenen endet sie tödlich. Sie kommt in immerhin einem von 1000 bis 5000 Fällen vor. Eine zwar seltene, aber meist tödliche Spätfolge von Masern ist die subakute sklerosierende Panenzephalitis, die bislang in einem von 10 000 bis 100 000 Fällen beobachtet wurde und das ganze Zentralnervensystem in Mitleidenschaft zieht.

Das Risiko von gefährlichen Nebenwirkungen einer Impfung sieht Schneider im Vergleich zu den Risiken einer Erkrankung als vergleichsweise gering an. «Eine Masernimpfung ist dringend zu empfehlen», rät die Kinderärztin, selbst Mutter von drei Kindern. Esgebe nur ganz wenige Ausnahmen, in denen Zurückhaltung angebracht sein könnte. In Zweifelsfällen sollten Eltern sich stets vom behandelnden Kinderarzt beraten lassen.

«Nicht grundsätzlich als Impfgegner» sehen sich auch Vertreter alternativer Medizin und Behandlungsmethoden. Christoph Trapp, Sprecher des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) in Berlin, betont jedoch, dass die Entscheidung von Fall zu Fall von einem homöopathischen Arzt getroffen werden sollte. Schutzimpfungen können laut DZVhÄ «bis zu einem gewissen Grad Infektionskrankheiten verhindern und auch die Möglichkeit der Ansteckung für Ungeimpfte verringern».

Unter bestimmten, wenn auch seltenen Umständen könnten sie aber schwerwiegende Reaktionen mit vorübergehenden oder bleibenden Schäden hervorrufen, betont auch der Verein Ärzte für individuelle Impfentscheidung in einer Stellungnahme zur aktuellen Diskussion über eine Impfpflicht. Er kritisiert, dass insbesondere Eltern sich einer zunehmenden Anzahl von empfohlenen Impfungen gegenüber sähen und von professioneller und von offizieller Seite in der Regel nicht ergebnisoffen informiert würden. «Führt eine differenzierte Auseinandersetzung einzelner Eltern zu einer Ablehnung von bestimmten Impfungen für ihr Kind, so kommt es vor, dass die beteiligten Ärzte eine weitere Behandlung generell ablehnen», heißt auf der Internetseite des Vereins.

Im Gegensatz zu Ländern mit sehr hohen Impfraten und entsprechend niedriger Todesrate wie Finnland, Schweden und den Niederlanden gehört nach Angaben des RKI Deutschland ebenso wie Frankreich, Italien, Österreich oder die Schweiz zu den Ländern mit noch ungenügenden Masernimpfquoten. In Deutschland wurden 2009 nach RKI-Angaben 571 Masernerkrankungen gemeldet, 2010 waren es 780 und 2011 bis kurz vor Jahresende 1602 Fälle. Die meisten Erkrankungen gab es in diesem Jahr in Baden-Württemberg und Bayern. Für Kinderärztin Katja Schneider steht fest: «Nur ein konsequentes Impfprogramm wie in den USA, wo die Masern als so gut wie besiegt gelten, kann derartige regionale Ausbrüche der Krankheit verhindern helfen.»

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