Arztfehler - was tun?

Zehntausende Patienten werden in Deutschland jedes Jahr Opfer von Behandlungsfehlern. Die Beweisführung vor Gericht ist oft kompliziert. In Mainz ging es jetzt um den Fall einer Frau, die seit einer Schönheits-OP im Sommer 2011 im Koma liegt.

Es war ein fataler Fehler in einer Schönheitsklinik: Eine Medizinstudentin verabreicht einer frisch operierten Patientin ein Narkosemittel. Seither liegt die zweifache Mutter im Koma - seit dem Juni 2011. Fast drei Jahre danach hatten jetzt Richter über das folgenschwere Versehen zu entscheiden. Der Ehemann verlangt Schadenersatz von mehr als 800 000 Euro für die Pflege seiner Frau. Im Saal 323 des Mainzer Landgerichtes rascheln die Schreibblöcke der Journalisten, sonst herrscht kurz vor dem Spruch gespannte Stille.

Die Klinik, der operierende Arzt und die Medizinstudentin müssen haften, so entscheidet das Gericht am Dienstag. In welcher Höhe, das soll nach einer weiteren Beweisaufnahme festgelegt werden.

Der Fall sei besonders tragisch, weil kein klassischer Behandlungsfehler vorliege, sagt Rechtsanwältin Michaela Bürgle. «Es ist nicht so, dass einem Arzt das Messer ausgerutscht ist.» Vielmehr habe eine Verkettung von Fehlern zu der falschen Nachbehandlung und der Schädigung der Patientin geführt. Bürgle vertritt Patienten in ganz Deutschland, pro Jahr nimmt sie nach eigenen Angaben rund 150 neue Fälle an. Es geht nicht nur um Fehler bei Schönheitsoperationen, sondern etwa auch um Geburtsschäden oder um Beschwerden über künstliche Kniegelenke.

Die Gesamtzahl der Behandlungsfehler lässt sich laut Bundesgesundheitsministerium nur schätzen - die Annahmen reichen von 40 000 bis 170 000 jährlich. Auch für Schönheitsoperationen gebe es keine bundesweiten Zahlen zu Komplikationen und Fehlern, heißt es vom Berufsverband DGPRÄC, der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen. Im Jahr 2011 zählte die Gesellschaft rund 138 500 ästhetische Operationen. Es gebe aber eine Grauzone, da Schönheits-OPs zum Teil auch von fachfremden Medizinern ausgeführt würden, sagt Sprecherin Kerstin van Ark.

Vermuten Patienten eine fehlerhafte Behandlung, können sie sich an Schlichtungsstellen der Landesärztekammern wenden. Dort untersuchen Gutachter den Fall. Die Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern beispielsweise ist für zehn Bundesländer zuständig. Geschäftsführer Johann Neu sagt: «In den vergangenen fünf Jahren wurden von uns knapp 15 000 beanstandete Eingriffe geprüft.» Nur ein Prozent sei auf Schönheitsoperationen entfallen. Nicht alle Patienten wenden sich allerdings laut DGPRÄC andie Schlichtungsstellen.

Vor Gericht hänge der Erfolg von Klagen wegen Behandlungsfehlern generell davon ab, ob der Patient seine Vorwürfe beweisen kann, sagt Bürgle. Das sei nicht immer einfach.

Bei dem Mainzer Fall verlief die eigentliche Operation ohne Komplikationen. Strukturelle Probleme in der Organisation der Klinik hätten allerdings die Fehler bei der Nachbehandlung verursacht. Das bestätigten Gutachter im Laufe des Prozesses. In seiner Urteilsbegründung schloss sich der Richter der Einschätzung der Sachverständigen an (Az.: 2 O 266/11). Diese hatten unter anderem kritisiert, dass die Betreuung einer frisch operierten Patientin keinesfalls einer Studentin alleine hätte anvertraut werden dürfen.

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