Gen-Studie bestätigt: Multiple Sklerose ist Autoimmunerkrankung

Weltweit sind etwa 2,5 Millionen Menschen an der Nervenkrankheit Multiple Sklerose erkrankt. Eine internationale Studie hat jetzt genauer untersucht, welche Rolle unsere Erbanlagen bei der Erkrankung spielen. Für Gentests bei Menschen ist es aber noch viel zu früh. 

Oxford/ München (dpa) - Wissenschaftler haben neue Variationen im Erbgut gefunden, die bei der Nervenerkrankung Multiple Sklerose (MS) eine Rolle spielen. Für die Studie untersuchten die Experten die Gene von mehr als 9700 MS-Patienten und verglichen sie mit denen von knapp 17 400 gesunden Menschen. Die Daten bestätigen eine Verbindung zwischen Zellen und Faktoren des Immunsystems und der Erkrankung, schreiben die Autoren im Fachjournal «Nature».

Die internationale Studie ist ein Projekt des «International Multiple Sclerose Genetics Consortium» und des «Wellcome Trust Case Control Consortium». Auch deutsche Wissenschaftler sind beteiligt, unter anderem aus München, Hamburg und Mainz. Die Daten von 1100 MS-Patienten aus Deutschland flossen in die Studie ein.

Die Multiple Sklerose ist eine chronische, entzündliche Nervenerkrankung, die in Schüben verläuft. Forscher gehen davon aus, dass körpereigene Abwehrzellen die Myelinscheiden um die Nerven in Rückenmark und Gehirn schädigen, die diese eigentlich schützen sollen. Dass eine erbliche Veranlagung für die Erkrankung besteht, ist seit längerem bekannt. Zu den Symptomen können Sehstörungen, Lähmungserscheinungen, Taubheitsgefühl, Doppelbilder und Schwindel gehören. Die Krankheitsverläufe sind sehr unterschiedlich, Therapien setzen unter anderem bei einer Beeinflussung des Immunsystems an.

«Die Studie unterstützt die These, dass der Multiplen Sklerose eine Autoimmunreaktion zugrunde liegt und die therapeutischen Ansätze verstärkt werden müssen, diese in den Griff zu kriegen», sagte Prof. Bernhard Hemmer vom Kompetenznetz Multiple Sklerose der dpa. Bei der Auswertung der Daten aus 15 Ländern konnten 20 bekannte Gene bestätigt werden und 29 neue Genorte identifiziert werden, die das Risiko beeinflussen, an MS zu erkranken. "Viele der entdeckten Genorte spielen eine grundlegende Rolle für das Immunsystem.»

Die Genanalysen weisen in Richtung der T-Lymphozyten, die zu den weißen Blutkörperchen gehören. Nach Angaben der Autoren um Peter Donnelly von der Universität in Oxford (Großbritannien) haben sich zudem die Erkenntnisse bestätigt, dass ein bestimmter Komplex von Genen (MHC-Komplex) bei Multiple-Sklerose-Patienten verändert ist.

«Es gibt eine deutliche Überlappung mit Genen aus dem Immunsystem, die bei anderen Autoimmunkrankheiten wie Diabetes, Rheuma oder Psoriasis eine Rolle spielen», sagte Hemmer. Weiterhin erlaube die große Zahl an bekannten Genorten nun Rückschlüsse darüber, welche Signalwege im Immunsystem von MS-Patienten besonders wichtig für die Erkrankung sind. Auch werde die These untermauert, dass derVitamin-D-Stoffwechsel eine Funktion bei der Erkrankung habe, da zwei der gefundenen Gene für diesen von großer Bedeutung sind.

«Auch wenn dies eine große Studie ist, so ist es für das Thema Gentests noch viel zu früh», betonte Hemmer, Direktor der Neurologischen Klinik und Poliklinik am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München. «Es gibt mit hoher Wahrscheinlichkeit noch weitere, seltene Gene, die noch nicht gefunden wurden und wichtig für die MS sind.» Hemmers Team hat an der veröffentlichten «Nature»-Studie mitgewirkt.

Laut der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft sind nach Schätzungen weltweit 2,5 Millionen Menschen von MS betroffen. Die Erkrankungshäufigkeit steigt mit der Entfernung vom Äquator an. In Deutschland leben Hochrechnungen zufolge etwa 130 000 MS-Patienten. Frauen erkranken etwa doppelt bis dreifach so häufig wie Männer. Die Krankheit beginnt meistens zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr.

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