Ein Kind als Beziehungskiller? - So retten junge Eltern ihre Liebe

Mainz (dpa/tmn) - Kinder als Beziehungskiller? Glaubt man der Einschätzung einiger Experten, dann bringt eine Familie gerade mit ihrem Nachwuchs das gemeinsame Glück in Gefahr. Doch selbst Therapeuten, die nicht ganz so schwarzmalen, warnen vor ernsten Beziehungsproblemen junger Eltern. Wer sich jedoch mögliche Probleme früh bewusst macht, kann gegensteuern. Spätestens wenn die Kinder in die Schule kommen, wird das Familienleben wieder einfacher – so die hoffnungsvolle Prognose von Psychologen.

«Wenn es um das Organisieren des Haushalts geht, scheint ja alles zu funktionieren. Aber darüber hinaus bleibt unglaublich wenig Zeit und vor allem Energie, etwas gemeinsam zu tun», sagt Tina Schäfer*, verheiratete Mutter von zwei kleinen Kindern. «Ich finde es sehr schwer, Interessen, denen man früher gemeinsam nachgegangen ist, nun auch noch nachzugehen», beklagt sie. «Zumal wenn diese aus Reisen, Feiern, Sport machen und auf Konzerte gehen bestanden.» Natürlich könne man auch mit Kindern reisen und Sport machen. «Aber es ist ein Unterschied, ob man zu zweit nach Australien fährt oder einen netten Familienurlaub in Holland verbringt - nichts gegen Holland.»

Tina und ihr Mann sind zwar oft genervt vom Alltag – die Beziehung ist jedoch nach wie vor intakt. Das ist längst nicht bei allen Paaren mit kleinen Kindern so. «Zwei Drittel der Paare kommen in große Schwierigkeiten, die jedoch nicht unbedingt zur Trennung führen müssen», sagt Andrea Kuhnert, Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Freiburg. Wichtig sei, sich bewusst zu machen, dass Menschen in ihrem Leben gewisse Entwicklungsstufen meistern müssen.

Dazu gehöre etwa die Pubertät, der Auszug aus dem Elternhaus und eben die Familiengründung. «In diesen Schwellensituationen müssen wir auch was Neues entwickeln, und manchmal straucheln wir, wenn man noch so am Alten festhält», erklärt Kuhnert. In jungen Familien werde es dann oft schwierig, wenn Paare an alten Konstellationen festhalten wollten. «Wenn ich versuche, alles unter einen alten Hut zu bringen, dann kommen die Probleme», warnt die Ärztin.

Es sei einigen Paaren nicht klar, dass sie mit Kind vieles infrage stellen müssen. «Ich denke, modern ist eher, dass Paare sagen 'Ach, es wird alles so weitergehen können, alle Sportaktivitäten, Bergsteigen, Skifahren. Es wird alles weitergehen, wenn wir nur flexibel genug sind.» In den Therapiestunden klagten viele Patienten über einen Mangel an Sexualität und Intimität - klassischerweise eherder Mann. Unter Umständen fühlten sich beide Partner zunehmend einsam. Die Frau könne dies ein Stück weit über die körperliche Nähe zum Kind ausgleichen - manche Väter fühlten sich daher ein wenig außen vor, wenn das Kind viel Aufmerksamkeit von Mutter und Frau genießt.

«Grundsätzlich ist es eine gute Idee, sich vor der Geburt in Ruhe zusammenzusetzen und zu beraten, wie kann denn unser Leben mit Kind aussehen», sagt Kuhnert. Auch wenn der Sohn oder die Tochter auf der Welt sind, sollten Paare sich sinnbildlich Räume suchen, in denen nur sie beide vorkommen - das kann auch ein gemeinsames Abendessen sein oder ein Plausch auf der Couch im Wohnzimmer. «Es muss nicht das spektakuläre Wellnesswochenende sein.» Auch für das Kind sei Abstand ab und zu wichtig - selbst Babys - hätten ein Grundbedürfnis danach, mal in Ruhe gelassen zu werden.

«Ein großes Problem sind die finanziellen Einbußen», sagt die Paartherapeutin Silvia König-John in Mainz aus ihrer Praxiserfahrung. Die Öffnungszeiten vieler Kindergärten und Kinderkrippen seien nach wie vor so ungünstig, dass ein Elternteil nicht mehr oder deutlich weniger arbeiten gehen könne. «Und dann kommt das Geldproblem - trotz Elterngeld», berichtet die Paartherapeutin.

Viele Eltern könnten mit Kind nicht an das alte Beziehungsleben anknüpfen, erklärt König-John. Mit dem Schlafmangel steige der Stresspegel, die Partner sind schneller gereizt. Es gibt nach der Erfahrung der Psychologin solche Paare, die sich zwar kaum streiten, aber voneinander zurückziehen. Andere Eltern streiten sehr viel mehr als früher, oft um Kleinigkeiten. «Die zweite Gruppe hat sogar noch die besseren Chancen, die Beziehung zu retten», sagt König-John. Denn durch die Kommunikation entstehe Nähe. Einfacher wird es nach ihrer Erfahrung, wenn die Kinder ins Schulalter kommen. Dann spielen sie auch mal längere Zeit allein in ihrem Zimmer und lösen sich emotional von den Eltern.

Bei Tina Schäfer und ihrem Mann dauert es noch bis zum ersten Schultag der Kinder, die Söhne brauchen noch viel Aufmerksamkeit. Neulich habe sie Konzertkarten für einen tollen Künstler geschenkt bekommen - und obwohl sie einen Babysitter hätte engagieren können, sei sie nicht hingegangen, sagt Tina. Die Gefahr sei einfach zu groß, dass sie und ihr Mann doch hätten heimrasen müssen, um ein schreiendes Kind zu beruhigen. Und selbst wenn - wider Erwarten - alles geklappt hätte und sie nach dem Konzert um 01.00 Uhr im Bett gelegen hätten: «Mein Sohn hätte fröhlich morgens um 5.30 im Zimmer gestanden, um Lego zu spielen.»

* Name von der Redaktion geändert

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