Bahr: Erstmals Gesetz gegen Ärztemangel - Kassen: Licht und Schatten

Landärzte sollen künftig nicht nur im Heimatfilm vorkommen. Dafür, dass es genügend Mediziner auch in entlegenen Regionen gibt, soll ein neues Gesetz der Bundesregierung sorgen. Es will Mediziner mit besserer Honorierung aufs Land locken. 

Berlin (dpa) - Auch Patienten auf dem flachen Land sollen künftig in ihrer Region einen Hausarzt finden und dafür nicht halbe Tagesreisen unternehmen müssen. Die Bundesregierung hat am Mittwoch gesetzliche Regelungen auf den Weg gebracht, um die wohnortnahe medizinische Versorgung flächendeckend zu sichern. Junge Mediziner sollen dabei vor allem durch finanzielle Anreize aufs flache Land

gelockt werden. Für sie sind bisher vor allem Ballungszentren lukrativ.

Gegen die ärztliche Unterversorgung will Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) insgesamt 320 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich locker machen. Für die Zahnärzte sind davon 120 Millionen Euro vorgesehen. Kritik daran wies der Minister am Mittwoch nach der Kabinettsentscheidung in Berlin zurück. Die schwarz-gelbe Bundesregierung sei die erste, die per Gesetz «den drohenden Ärztemangel anpackt». Die Mittel würden gezielt in Regionen eingesetzt, die ärztlich unterversorgt seien. «Wir machen kein Gesetz mit der Gießkanne.»

Mit dem Versorgungsstrukturgesetz wolle die Regierung dazu beitragen, eines der im internationalen Vergleich leistungsfähigsten Gesundheitswesen zu erhalten. Warnungen der Krankenkassen, die Zusatzausgaben könnten in Milliardenhöhe klettern und die Versicherten über Zusatzbeiträge belasten, wies Bahr zurück. Auch stehe der aus Steuern finanzierte Sozialausgleich, der Bedürftige bei Zusatzbeiträgen vor Überforderung schützen soll, nicht in Frage.

Allerdings hat Bahr auf Druck von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) akzeptiert, dass Mehrkosten aus dem Versorgungsgesetz den Bundeshaushalt nicht zusätzlich belasten dürfen. Dies sei auch sein Interesse, versicherte Bahr. Er habe die Verantwortung, «dass die Kosten nicht weglaufen, dass aber auch die Ärzte nicht weglaufen». Beides werde mit dem Gesetz erreicht. Schäuble hatte unkalkulierbare finanzielle Risiken befürchtetet.

Um die Versorgungsqualität zu verbessern, will Bahr die Grenzen zwischen ambulanter und stationärer Behandlung durchlässiger machen. Geplant ist, dass Ärzte von Reha- und Pflegeeinrichtungen in unterversorgten Gebieten Patienten auch von außerhalb behandeln können. Gemeinden sollen Arztpraxen in Eigenregie betreiben können, bei Bedarf sind auch «rollende Arztpraxen» vorgesehen.

Nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sind derzeit bundesweit 550 zur Patientenversorgung unbedingt notwendige Arztpraxen nicht besetzt. Die Lücke dürfte sich aber vergrößern, daviele aus Altersgründen ausscheidenden Mediziner nur schwer oder gar keine Nachfolger finden. Bis 2020 hören allein 7000 Hausärzte auf.

Das Echo aus den Reihen der gesetzlichen Krankenkassen fiel gemischt aus: Deren Spitzenverband sprach von «Licht und Schatten». Einerseits seien die vielfältigen Vorhaben zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung auf dem Land zu begrüßen. «Allerdings fehlen Maßnahmen, um die teure und unnötige Überversorgung, die es in den meisten anderen Gebieten gerade im fachärztlichen Bereich gibt, abzubauen», kritisierte der Vizevorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Johann-Magnus von Stackelberg.

Bahr will mit dem neuen Gesetz auch den Wechsel von Versicherten bei einer Kasseninsolvenz erleichtern. Sollten Betroffene bei einem solchen Kassenwechsel abgewimmelt werden, drohen künftig empfindliche Strafen. Für den unbürokratischen Wechsel soll künftig ein Formular genügen. Damit werde vermieden, dass der Versicherte bei der aufnehmenden Kasse anstehen muss und möglicherweise unfreundlich behandelt wird. Solche Situationen hatte es vor kurzem bei der Pleite der City BKK gegeben.

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