Ärztemangel auf dem Land

Kilometerweite Wege bis zum nächsten Arzt: Seit Jahren versucht die Politik, die Nöte von Patienten auf dem Land zu lindern. Jüngste Reformversuche bringen laut Experten teils ernüchternde Ergebnisse.

Nicht nur in Heile-Welt-Serien im Fernsehen sollte es Landärzte geben. Das sagte der frühere Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) bei der Arbeit an seinem Landarztgesetz. Es trat 2012 in Kraft - infolgedessen wurde die Verteilung von Ärzten in Deutschland komplett neu geplant. Doch wie erfolgreich ist der Kampf gegen den Ärztemangel auf dem Land?

Das höchste Gremium des Gesundheitswesens, der Gemeinsame Bundesausschuss, bestimmte damals neu, wo sich welche Ärzte niederlassen können - die Lücken auf dem Land sollten unbedingt kleiner werden. 3000 garantierte Möglichkeiten zur Praxiseröffnung wurden geschaffen. Nun haben Forscher des Berliner Forschungsinstitut IGES und der Bertelsmann Stiftung die Ärzteplanung unter die Lupe genommen - ihre Ergebnisse schmeicheln den Offiziellen nicht und machen den Patienten wenig Hoffnung.

Beispiel Kinderärzte: Auf einer Karte haben die Studienautoren Deutschland in Plankreise eingeteilt und diese eingefärbt. Rot steht für deutlich zu wenig Ärzte, grau für ausgewogen und blau für mehr Mediziner als gebraucht. Das Problem: Die grauen Kreise, wo alles ok ist, sind in der Minderheit - vor allem weite Teile Ostdeutschlands leuchten auch nach der Reform in Alarmrot.

Laut der Studie steigt der Anteil der Regionen, in denen die Zahl der Kinderärzte nicht dem Bedarf entspricht, durch die neue Planung sogar von 70 auf 75 Prozent. Bei Frauenärzten sieht es laut der Erhebung nicht viel besser aus, bei den Augenärzten nur wenig besser.

Doch nicht alles ist schlecht. Die Deutschlandkarte, die die Experten für die Hausärzte gemalt haben, ist weitgehend blassgrau - was einer ausgewogenen Verteilung der Mediziner entspricht. «Die Bilanz ist nicht ganz schlecht, aber insgesamt doch ernüchternd», sagt der Gesundheitsexperte der Bertelsmann Stiftung, Stefan Etgeton.

Nun sind die Studienautoren nicht durchs Land gefahren und haben die Lage vor Ort untersucht - sondern ihr Augenmerk auf die offizielle Planung der Arztsitze gelegt. Doch Etgeton meint, das sei durchaus von Belang. Denn ohne einen ausgeschriebenen Arztsitz kann sich auch kein Mediziner niederlassen. Bei der Bestimmung des Bedarfs rechneten die Experten auch die regional unterschiedliche Pflegebedürftigkeit, die Sterblichkeit und Einkommensverteilung mit ein.Nun stieg die Zahl der berufstätigen Ärzte in Deutschland laut Bundesärztekammer innerhalb von zehn Jahren um mehr als 53 000. Doch das Durchschnittsalter der niedergelassenen Mediziner stieg in der Zeit von durchschnittlich 46,7 auf 53,1 Jahre. Viele Ärzte finden keinen Nachfolger, viele machen auch Teilzeit.

Die Bertelsmann Studie bestätigt aber auch einen Trend, den die Krankenkassen seit Jahren kritisieren: Das Problem ist nicht der Mangel allein, sondern die ungleiche Verteilung der Ärzte. Ein Drittel der Kinder-, Frauen- und Augenärzte arbeite in Großstädten - obwohl nur ein Viertel der Bevölkerung dort lebe.

Der Wohlstand in einer Region spielt laut den Experten für die Niederlassungsfreudigkeit der Ärzte eine Rolle. Die Münchner Gesundheitsökonomin Leonie Sundmacher hatte bereits aufgezeigt: Ein Prozent mehr an Privatversicherten erhöht die Ärztedichte um rund zwei Prozent. Nicht nur das höhere Arzt-Honorar bei Privatpatienten trägt laut Etgeton hierzu bei, sondern auch die in solchen Regionen für die Mediziner attraktiver erscheinenden Lebensverhältnisse. Neben den neuen Ländern haben etwa Nordostbayern, Westfalen, Unterfranken oder Nordhessen hier das Nachsehen.

Was ist zu tun? Die Fachleute der Bertelsmann Stiftung fordern vor allem, dass Kassenärztliche Vereinigungen und Krankenkassen in den einzelnen Regionen kreativ sein sollen und über die bundesweite Planung hinaus genau gucken, was jeweils gebraucht wird.

Regierungsberater gehen nach jahrelangem Klagen über den Medizinermangel mittlerweile weiter. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen forderte in seinem jüngsten Gutachten spürbare Zuschläge für Landärzte. Neue Niederlassungen will man so attraktiver machen - und zwar soll das Geld von den Medizinern in gutversorgten Gebieten kommen.

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