Demenz und Sport?

Die Diagnose Demenz bedeutet für viele: Bestimmte Sachen kann ich nie wieder machen. Nicht so beim Sport. Durch Bewegung und gezieltes Training können Betroffene das Fortschreiten der Krankheit sogar verlangsamen. Wichtig ist eine Begleitung durch geschulte Helfer.

"Ich glaube, beim Sport merkt er, dass er noch mithalten kann, zieht daraus Motivation und Selbstbewusstsein." Es berührt, was ein Mitglied von der Selbsthilfegruppe der Alzheimer-Gesellschaft Berlin von ihrem Mann berichtet. Er ist vor einigen Jahren, im Alter von 55 Jahren, an Demenz erkrankt. Und er ist der beste Beweis dafür, wie gut Bewegung einem Betroffenen tut.

Nach Angaben der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft in Berlin leben in Deutschland gegenwärtig mehr als 1,4 Millionen Demenzkranke. Zwei Drittel von ihnen sind von der Alzheimer-Krankheit betroffen.

Wer die Diagnose Demenz hört, denkt meist sofort an all das, was er nicht mehr tun kann. Radfahren? Schwimmen? Joggen? Vorbei! Peter Wißmann und sein Team von Demenz Support Stuttgart wollen zeigen, dass dies insbesondere bei leichter bis mittelschwerer Demenz nicht so ist. «Unser Projekt heißt nicht umsonst «Was geht!».» Von Gymnastik, Tanzen, Rad- oder Wandertouren bis hin zu Ausflügen im Kanu reicht die Palette. «Man sollte den Fokus auf das richten, was noch möglich ist», sagt Wißmann. Und das sei ganz individuell.

«Einige Demenzkranke haben einen starken Bewegungsdrang, andere werden im Zuge der Erkrankung apathisch», erklärt Werner Hofmann von der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie in Köln (DGG). Letztere sollte man aus ihrem Schneckenhaus herauslocken - Bewegung kann ein gutes Mittel sein.

Eine Untersuchung zum Thema körperliches Training und Demenz am Bethanien-Krankenhaus, dem geriatrischen Zentrum an der Universität Heidelberg ergab, dass sich die Patienten durch das Training wieder als jemand erlebten, der selbst etwas bewirken kann. Sie litten seltener an einer Depression.

Und nicht nur das: Regelmäßiges Training machte die Patienten laut der Untersuchung kräftiger, die geistigen Funktionen ebenso wie Koordination verbesserten sich, das Aufstehen falle leichter. Auch das Gehen wurde durch einen Zuwachs an Kraft sicherer, die Sturzgefahr dagegen geringer.

Der Grund liegt darin, dass die Durchblutung der Muskulatur ebenso angeregt wird wie im Gehirn und dieses dadurch mehr Sauerstoff bekommt. Weiterhin wird der Stoffwechsel im Gehirn durch regelmäßigeBewegung angekurbelt, so dass sich die Nervenzellen dichter vernetzen und aktiver sind. «Es ist belegt, dass somit die Entwicklung der Demenz verlangsamt und eine Verschlechterung hinausgezögert werden kann», sagt Larsen Lechler. Er leitet das Therapie- und Gesundheitszentrum am Malteser-Krankenhaus St. Hildegardis Köln.

Welche Art der Bewegung für Menschen mit Demenz die richtige ist, kann seine Biografie verraten. «Man sollte schauen, welche Sportart der Betroffene immer gern mochte», rät Lechler. Die Bewegung, die man früher gelernt hat, bleibt im Langzeitgedächtnis erhalten. Auch auf Musik reagieren viele noch positiv. Beides zusammen ergibt: Tanz. «Tanzen vereint Bewegung, Koordination und soziale Kontakte», sagt Lechler.

Diese Kombination gilt als goldener Weg: «Es sollte nicht nur Kraft oder Balance trainiert werden, sondern beides zusammen», empfiehlt Hofmann. Dreimal in der Woche etwa eine halbe Stunde ist ideal. Angefangen wird mit einer Aufwärmphase und koordinativen Übungen, etwa Gehen durch den Raum, wobei mal das rechte Bein und der rechten Arm gleichzeitig nach vorn bewegt werden, mal umgekehrt.

Dann folgen leichte Kräftigungsübungen, mit Hanteln oder dem eigenen Körpergewicht. «Dabei sollten die Hauptmuskelgruppen trainiert werden, die im Alltag wichtig sind. Etwa für das Aufstehen, dem Öffnen einer Flasche oder das Haarekämmen», sagt Lechler. Zum Abschluss gibt es eine Entspannungseinheit, beispielsweise bei leiser Musik.

Ergänzt werden kann dieses regelmäßige Training mit anderen Sportarten, die dem Demenzkranken Spaß machen - Wandern, Radfahren, Joggen, Schwimmen. Vor allem im Frühstadium ist der Sport selbst nicht unbedingt das Problem. Vielmehr fühlt sich der Betroffene nicht mehr sicher genug oder kann sich nicht mehr gut orientieren.

Daher sind beim Thema Sport und Demenz Personen nötig, die dem Demenzbetroffenen Assistenz bieten, damit er etwa zum Schwimmen hin- und wieder zurückkommt und nicht allein ist. Das können Angehörige sein, aber auch freiwillige Helfer wie etwa Wanderbegleiter.

Je weiter die Erkrankung fortgeschritten ist, desto mehr ist die Begleitung von geschulten Menschen gefragt. Sehr komplexe Abläufe der Bewegung, etwa beim Golf oder Yoga, sind dann weniger empfehlenswert. Was ist überhaupt in welchem Stadium der Krankheit möglich? «Das ist bei jedem Menschen anders», sagt Wißmann. «Ich rate dazu, es auszuprobieren.»

Welche Angebote es in der Nähe des eigenen Wohnortes gibt, können Betroffene bei Selbsthilfegruppen der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft erfragen. Außerdem helfen Demenzcafés, die Krankenkasse oder Seniorensportgruppen weiter. Oder der Hausarzt, der den Patienten kennt und ihn regelmäßig untersuchen sollte.

«Es geht nicht um Perfektion bei der Bewegung oder um Leistung», erklärt Wißmann. Wichtig sei, dass der Erkrankte Freude an der Bewegung hat. Gerade das Miteinander tut vielen gut: Sie haben Anteil an etwas und gehören dazu.

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