mehr Psycho-Leiden

Sind die Deutschen ein Volk von Psycho-Kranken? Nein, sagt eine neue Studie - und tritt damit einer weit verbreiteten Einschätzung entgegen. Gleichwohl gilt: Seelenleiden stehen inzwischen bei Krankschreibungen an zweiter Stelle.

Berlin (dpa) - Totale Erschöpfung durch übermäßigen Stress im Job ist entgegen dem weit verbreiteten Eindruck kein Massenphänomen. Im vergangenen Jahr vermerkten Ärzte nur bei jedem 500. Mann und jeder 330. Frau einen Burn-out auf der Krankschreibung. Das geht aus dem am Dienstag in Berlin veröffentlichten «DAK-Gesundheitsreport» hervor.

Allerdings wurden 2012 mehr Beschäftigte als je zuvor wegen psychischer Leiden arbeitsunfähig geschrieben: Die Fehltage daraus haben sich zwischen 1997 und 2012 mit plus 165 Prozent mehr als verdoppelt, der Produktionsausfall daraus werde auf 25 Milliarden Euro taxiert, sagte DAK-Gesundheit-Kassenchef Herbert Rebscher.

Belegt sei, dass psychische Störungen seit Jahrzehnten in der Bevölkerung nahezu gleich verbreitet seien. Beschäftigte würden heute mit einem psychischen Leiden krankgeschrieben, früher dagegen mit Diagnosen wie «chronische Rückenschmerzen» oder «Magenbeschwerden». Das Bewusstsein und die Sensibilität von Ärzten und Patienten bei Psycho-Leiden hätten sich erheblich verändert, sagte Rebscher. Die Verbreitung von Burn-outs werde überschätzt. Die Arbeitswelt habe sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf die Gesundheit.

Für Frank Jacobi, Professor an der Psychologischen Hochschule Berlin, gibt es keine Hinweise darauf, dass heute mehr Menschen psychische Störungen haben als vor 20 Jahren. Es habe nur eine diagnostische Verschiebung bei nahezu konstantem Krankenstand gegeben. Die starke Zunahme von Psycho-Leiden hänge aber auch mit dem wachsenden Leistungsdruck der Beschäftigten zusammen: In den Unternehmen gebe es «weniger Nischen für weniger Leistungsfähige als früher».

Psychische Erkrankungen treten laut Report überdurchschnittlich häufig im Gesundheitswesen und im öffentlichen Dienst auf. Je 100 Beschäftigte im Gesundheitswesen kam es 2012 deswegen zu gut 300 Fehltagen, in der öffentlichen Verwaltung zu 269 Ausfalltagen. Der Durchschnitt über alle Branchen liegt bei knapp 204.

Der Report zeigt auch: Wer in der Freizeit häufig beruflich telefoniert, also ständig erreichbar sein muss, neigt mehr als andere zu Depressionen. Job-bedingte Telefonate außerhalb der Arbeitszeit sind aber sehr viel weniger verbreitet als allgemein angenommen.Der Krankenstand bei der DAK - zuletzt schon auf niedrigem Niveau - sank 2012 binnen Jahresfrist von 3,9 auf 3,8 Prozent, dies entsprach durchschnittlich 14 Fehltagen. Knapp mehr als die Hälfte der Mitglieder legten 2012 keine Krankmeldung vor. Erstmals seien psychische Erkrankungen auf Platz zwei aller Ausfalltage vorgerückt.

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