Kombination von Impfstoffen soll Kinderlähmung besser bekämpfen

«Salk» oder «Sabin»? Die Frage, welcher Impfstoff effektiver im Kampf gegen Kinderlähmung ist, wird seit Langem kontrovers diskutiert. Eine neue Studie könnte dieser Debatte nun ein Ende setzen.

Die Kombination von zwei Impfstoffen gegen Kinderlähmung könnte dabei helfen, den Erreger der Krankheit weltweit endgültig auszurotten. Das berichtet ein Forscherteam um Hamid Jafari vom India National Polio Surveillance Project der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Neu Delhi im Journal «Science». An der Studie der Wissenschaftler waren fast 1000 Kinder im Alter von sechs Monaten bis zehn Jahren aus Nordindien beteiligt.

Kinderlähmung ist der umgangssprachliche Name für Poliomyelitis oder Polio. Die Krankheit betrifft vor allem Kinder und kann dem Robert Koch-Institut (RKI) zufolge sehr unterschiedlich verlaufen. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle gibt es keine Symptome, möglich sind aber auch Magen-Darm-Beschwerden, Fieber, Kopfschmerzen oder eine Hirnhautentzündung. Selten kommt es zur Lähmung etwa von Bein-, Arm- oder Augenmuskeln.

Ursache der Erkrankung ist das Poliovirus. Der kugelförmige Erreger, von dem es drei Typen gibt, wird durch Schmierinfektionen übertragen. Gegen das Virus gibt es zwei gängige Impfstoffe. In Deutschland wird nur die Spritzimpfung «Salk» verwendet. Sie enthält Viren, die inaktiviert wurden, also nicht mehr funktionsfähig sind. Weltweit weitaus verbreiteter ist die Schluckimpfung «Sabin», die abgeschwächte, aber noch funktionsfähige Erreger enthält. Die Frage, welcher Impfstoff effektiver gegen Polio ist, führt seit Langem zu Kontroversen unter Wissenschaftlern.

Die Schluckimpfung «Sabin» ist preiswert und leicht zu verabreichen. Außerdem reagiert hier auch das Abwehrsystem der Darmschleimhaut stark auf den Erreger - der Mensch erlangt dadurch eine sogenannte Schleimhautimmunität und ist noch besser vor Polio geschützt.

Hat ein Kind die Schluckimpfung bekommen, scheidet es das abgeschwächte Virus eine gewisse Zeit mit dem Stuhl aus. Dies hat den weiteren Vorteil, dass sich Teile der Bevölkerung ebenfalls mit dem Impfvirus infizieren können und dadurch immun werden. In Ländern mitungenügendem Polio-Impfschutz kann dies jedoch auch kritisch sein: Kursiert das ausgeschiedene Impfvirus dort zu lange, kann es zu einer gefährlichen, krank machenden Form mutieren.

Der größte Nachteil der Schluckimpfung ist, dass sie - obwohl sie abgeschwächte Viren enthält - in sehr seltenen Fällen selbst Polio auslösen kann. Aus diesem Grund wird «Sabin» in Deutschland auch nicht mehr verwendet. Eine weitere Schwäche der Schluckimpfung besteht nach Angaben der Forscher darin, dass die Schleimhautimmunität nach der Impfung schnell wieder verschwindet. Somit seien mehrere Dosen notwendig.

In der Studie prüfte das Team um Jafari, ob die Kombination verschiedener Vakzinen die Schleimhautimmunität erhöht. Hierzu wurde fast 1000 Kindern aus dem nordindischen Staat Uttar Pradesh zunächst entweder «Salk», «Sabin» oder keine Impfung verabreicht. Vier Wochen später bekamen alle die Schluckimpfung.

Jene Kinder, die zuerst die Spritz- und dann die Schluckimpfung erhalten hatten, erreichten nicht nur eine höhere Schleimhautimmunität im Vergleich zu den anderen Gruppen - sie schieden auch weniger Viren mit dem Stuhl aus, heißt es in «Science». «Die Spritzimpfung sollte genutzt werden, um in Ländern, die nur schlechten Zugang zu Impfungen haben, die Ausrottung des Virus zu beschleunigen», bewertet Jafari die Ergebnisse.

Polioviren waren früher weltweit verbreitet. Durch die Einführung von Impfungen und eines WHO-Programm zur Polio-Ausrottung ist es jedoch gelungen, den Erreger massiv zurückzudrängen. So ist die Zahl der Länder, in denen Polio dauerhaft vorkommt, seit Beginn der Initiative im Jahr 1988 von 125 auf 3 gesunken: Nur Nigeria, Pakistan und Afghanistan waren noch nie poliofrei.

Allerdings kommt es nach RKI-Angaben vor allem in Afrika jährlich zu einer Vielzahl an verschleppten Erkrankungen und Ausbrüchen in eigentlich poliofreien Gebieten. In Deutschland wurde die letzte erworbene Polio-Erkrankung durch ein Wildvirus laut RKI 1990 erfasst. Die letzten beiden importierten Fälle seien 1992 registriert worden.

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