Kleine Auszeiten gut für Seele und Geist

Pausen nach der Eier-Uhr - oder wenn man sich danach fühlt? Und dann besser ein Nickerchen oder Hampelmann-Sprünge machen? Wer sich seine Arbeitszeit selbst einteilen kann, gönnt sich am besten mehrere Kurzpausen am Tag.

Wenn es Zeit für seine kurze Pause wird, schließt der Psychologe Rainer Wieland seine Bürotür ab und holt die Isomatte für Momente der Ruhe heraus. «Die Mitarbeiter akzeptieren, dass ich dann nicht zu stören bin», sagt der Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie von der Bergischen Universität Wuppertal. Damit lebt er seine Forschungsergebnisse und Ratschläge für Unternehmen vor: eine Pausen- und Gesundheitskultur zu gestatten, die es Mitarbeitern erlaubt, sich auf ihre persönliche Art und Weise zu entspannen.

«In unserer deutschen Kultur ist das nicht so verankert. Wer Pausen nehmen möchte, gilt oft als nicht so leistungsfähig», sagt Wieland. «Dabei zeigen Studien seit vielen Jahren, dass mehrere kurze Pausen über den Tag verteilt die Leistungsfähigkeit steigern und gesundheitliche Vorteile bringen.» Das bestätigt der Diplom-Psychologe Johannes Wendsche von der Technischen Universität Dresden. «Die Idee, dass eine lange Mittagspause nicht reicht, um viel leisten zu können, kam bereits vor 100 Jahren und wurde an zahlreichen Arbeitsplätzen überprüft.»

Es habe sich herauskristallisiert, dass mehrere kurze Unterbrechungen von fünf bis zehn Prozent der vorherigen Arbeitszeit durch Erholungs- und Motivationseffekte vollständig kompensiert werden. Für seine Promotion fasste Wendsche die Ergebnisse von 33 Studien zusammen und machte Experimente mit Probanden. «Kurzpausen sind sowohl für einfache, repetitive Tätigkeiten wie Arbeiten am Fließband sinnvoll, aber auch bei anspruchsvolleren oder überwiegend kognitiven Arbeiten.»

Untermauerung für Kurzpausen kommt aus der Kinderchirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Angelehnt an ein Pausenschema aus der Bergsteigerei am Mount Everest führten die Kinderchirurgen in einer Studie alle 25 Minuten eine fünfminütige Pause bei Schlüsselloch-Eingriffen ein. «Bei solchen Operationen schaut man auf einen zweidimensionalen Bildschirm, muss aber dreidimensionale Handlungen ausführen, das ermüdet ungemein», sagt Carsten Engelmann von der MHH. «Hartgesottene Kollegen denken, dass sie keine Pausen brauchen. Diese Annahme konnten wir widerlegen.»

Je sicherheitsrelevanter ein Beruf ist, desto mehr gibt der Arbeitgeber die Pausenzeiten vor, etwa im Flug- oderPersonennahverkehr. Bei vielen Berufen aber besteht zumindest theoretisch die Möglichkeit, sich die Arbeit weitgehend selbst einzuteilen. Wann sollte man sich also Kurzpausen gönnen? «Sie ganz frei zu wählen ist schwierig, denn viele machen erst eine Pause, wenn sie müde sind», sagt Michael Nasterlack von der Deutschen Gesellschaft für Arbeits- und Umweltmedizin in München. Solche Pausen würden so aber wahrscheinlich viel zu lang und seien dann nicht mehr effektiv. «Eine gute Pause ist vorgeplant und hat eine definierte Länge, dann habe ich kein schlechtes Gewissen.»

Also den Wecker für die Pause stellen? Der Arbeits- und Organisationspsychologe Karl Westhoff ist davon überzeugt. «Ich empfehle, die Uhr im Abstand von jeweils 1,5 Stunden stellen, eben wie bei einer Doppelstunde in der Schule oder an der Uni, und dann zwangsweise eine Pause machen», sagt der emeritierte Professor der TU Dresden. «Der Vorteil ist: Man fühlt sich unterbrochen, ist in der Regel noch nicht völlig erschöpft und geht nach der Pause leichter zurück an die Arbeit - denn der Mensch mag keine unerledigten Handlungen und möchte sie zu Ende bringen.» Sklavisch daran halten müsse man sich nicht. «Wenn es darum geht, einen Absatz zu Ende zu bringen, dann kann man den natürlich fertigschreiben, aber es lohnt sich, diese Variante einmal auszuprobieren.»

Laut Arbeitsmediziner Nasterlack ist in den Pausen Bewegung generell zu empfehlen - oder zumindest eine andere Körperhaltung einzunehmen als während der Arbeitszeit. Für Schreibtischtäter heißt das: Es reicht nicht, von der Excel-Tabelle auf die Webseite eines Nachrichtenportals zu wechseln. Besser: einfach die Augen zumachen, sich zurücklehnen oder sich ans Fenster stellen und den Blick in die Ferne schweifen lassen.

Bleibt die Frage, wie man seine Pausen wirklich so nutzt, dass sie Erholung bringen. An einem Trainingsangebot wie dem PausenExpress teilnehmen, das es an zahlreichen Hochschulen gibt? Einen Freund anrufen? Oder in der Ecke sitzen? Psychologe Wendsche empfiehlt, verschiedenes auszuprobieren und eine Mischung aus geplanten und spontanen Pausen zu machen. In Dresden hat er herausgefunden, dass Studienteilnehmer sich bei hohen Anforderungen Dinge aussuchten, bei denen sie sich nicht richtig erholten. «Wie gut ich Pausen machen kann, hängt auch davon ab, wie gut ich abschalten kann vom Beruf.» Wer bei einem Spaziergang über den Job grübele, arbeite ja weiter. Er rät zu aktiven Pausen, «wo ich etwas gezielt tue».

Auch Psychologe Wieland empfiehlt abwechslungsreiche Aktivitäten, auf die man sich konzentrieren oder einlassen muss. Das kann auch mal ein Kurzschlaf sein. «Das entlastet die leistungserstellenden Funktionen, die für die Arbeit nötig sind, und womöglich werden andere Funktionsbereiche angesprochen.» Seine Erfahrung: Um Pausen gut zu nutzen, muss man tatsächlich üben.

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