Homöopathie - die Meinungen gehen auseinander

Die einen sagen, die weißen Kügelchen der klassischen Homöopathie seien wirkungslos. Die anderen schwören auf die Wirkung dieser sogenannten Globuli ? ohne sie erklären zu können. Dazwischen stehen diejenigen, die medizinische Hilfe suchen.

Nur wenig größer als ein Stecknadelkopf, milchig-weiß und rund: So rollen Globuli aus der Verpackung - die in der klassischen Homöopathie eingesetzten weißen Kügelchen. Über viele Stufen wird dafür eine pflanzliche, tierische oder mineralische Ausgangssubstanz zuerst mit Milchzucker verrieben. In folgenden Potenzierungsstufen wird der verriebene und damit verdünnte Grundstoff in Alkohol verschüttelt. So sollen Informationen der Ausgangs- auf die Trägersubstanz übergehen.

«Es ist nichts drin außer Zucker. Es sei denn, man glaubt an Geister», sagt Christian Weymayr aus Herne, Autor des Buches «Die Homöopathie-Lüge». «Klassische Homöopathie ist ein völlig anderes Denksystem als die Schulmedizin», hält die Heilpraktikerin Christine Liebing-Gabel, Sprecherin des Verbandes klassischer Homöopathen Deutschlands in Ulm, dagegen. Es werde nicht nur ein Symptom behandelt oder ein Schmerz mit einem Medikament unterbunden.

Vielmehr stehe der Mensch im Mittelpunkt. Der Behandler, meist ein Heilpraktiker, erfragt unter anderem, wo der Schmerz sitzt, wie er sich anfühlt, wann er auftritt, wie der Patient schläft. Bis zu zwei Stunden dauert eine Erstanamnese. Sie basiert auf einem umfangreichen Verzeichnis des Erfinders der klassischen Homöopathie, Samuel Hahnemann. Er ließ einst gesunde Menschen ein Mittel einnehmen und bat sie, Symptome aufzuschreiben, die sie daraufhin entwickelten.

«Wir kreisen die Beschwerden immer mehr ein und können so am Ende ein homöopathisches Mittel finden, das auf alle Symptome passt und so ganz individuell zu dem Patienten», erläutert Liebing-Gabel. Die Betonung liegt auf «ein» Mittel. Es werden nicht mehrere verschrieben.

Eine Überdosierung ist laut der Heilpraktikerin nicht möglich. Ob man 5 Kügelchen oder 500 nehme, sei egal. Es sei, als ob man einen Lichtschalter nur leicht mit einem Finger bediene oder mit der ganzen Hand: Das Licht geht in beiden Fällen an. Anders ist es, wenn man den Lichtschalter immer wieder an- und ausschaltet – das kann zu viel des Guten sein. Laut Liebing-Gabel wird mit der Einnahme der Globuli ein gezielter Reiz im Körper gesetzt, die Lebenskraft und Selbstheilung angeregt.

Daher werden die Globuli immer nur ein- bis zweimal eingenommen, dannheißt es abwarten. Im Akutfall tritt eine Besserung meist binnen kurzer Zeit ein, bei chronischen Fällen dauert es länger. Die Folge kann sein, dass der Patient keine Veränderung spürt, neue Symptome feststellt oder sich die Beschwerden verschlechtern. «Je nachdem gibt man das Mittel noch einmal, verändert die Potenz oder verschreibt ein anderes Mittel», sagt Liebing-Gabel. Auch das richtet sich individuell nach den Symptomen.

Dass die Kügelchen überhaupt irgendetwas bewirken, bezweifelt Weymayr. Es geht ihm dabei nicht um einen Placebo-Effekt, bei dem sich ein Patient allein durch das Drumherum der Behandlung besser fühlt. Vielmehr weist er darauf hin, dass die meisten Beschwerden von selbst verschwinden, vor allem die, gegen die homöopathische Mittel eingesetzt werden. «Die Besserung fällt nur zufällig mit der Einnahme der Globuli zusammen», sagt der promovierte Biologe.

Christoph Laurentius, Mitglied im Deutschen Zentralverein homöopathischer Ärzte, argumentiert, der Mensch sei mehr als die Summe seiner Zellen: «Nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft können wir nicht erklären, warum homöopathische Arzneien wirken. Dass sie wirken, erlebe ich jeden Tag.»

Das Dilemma sei, dass unter Homöopathie vieles subsumiert werde. Unglücklich sind er und seine Kollegen darüber, dass Menschen in der Apotheke nach einem Heilmittel für Hals- oder Magenschmerzen fragen und dann eine Flasche voller Kügelchen erhielten. Die Chance, dass der Betroffene null Wirkung spüre, sei hoch. Denn es gehe eben nicht darum, nur ein Symptom zu behandeln.

Daher sollten Patienten nicht selbst herumdoktern und bei Ärzten vorsichtig sein, die nur nach einem groben Raster à la «Schnupfen? Nimm Pulsatilla» oder «Regelschmerzen? Lutsch Mönchspfeffer» vorgehen. «Das Klientel, das zu einem Heilpraktiker kommt, sind Menschen mit chronischen Krankheiten, die zuvor von Arzt zu Arzt gelaufen sind und keine Besserung erlebten», erklärt Liebing-Gabel. Klassiker sind häufige Infekte, Heuschnupfen, Asthma, Allergien, Migräne, rheumatische Beschwerden, Neurodermitis oder Bluthochdruck.

Oft können Globuli die schulmedizinische Behandlung begleiten. «Wenn ich sehe, dass sich Begleitsymptome einer Krankheit - etwa Schlaflosigkeit bei Bluthochdruck - bessern, kann ich die Medikamente nach und nach, mit regelmäßiger Blutdruckkontrolle, ausschleichen», erklärt Laurentius.

Bei schweren Krankheiten sind Globuli allein kaum das Mittel der Wahl - Beschwerden, die mit einer Grunderkrankung einhergehen, sollen sie aber lindern können, etwa bei Diabetes oder auch Krebs. «Ich versuche, den Patienten zu stärken und Nebenwirkungen von Chemotherapie und Bestrahlung zu lindern», sagt Laurentius.

Er selbst ist von Haus aus Arzt. Heilpraktiker haben eine medizinische Ausbildung und werden nach einer Prüfung vor dem Gesundheitsamt zugelassen. Im Idealfall arbeiten sie, insbesondere wenn sie einen homöopathischen Behandlungsschwerpunkt haben, eng mit Ärzten zusammen. Der Patient kommt aber nicht drum herum: Er muss selbst entscheiden, bei wem er Hilfe einholt.

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