Hartz IV und die Psyche

Manche fühlen sich ständig antriebslos, andere geraten leicht in Panik - viele Menschen leiden unter psychischen Problemen. Eine Studie ergab: Hartz-IV-Empfänger sind besonders häufig betroffen.

Hartz-IV-Empfänger leiden nach Erkenntnissen von Arbeitsmarktforschern besonders häufig unter psychischen Erkrankungen. Bei mehr als einem Drittel von ihnen wurde innerhalb eines Jahres mindestens eine psychische Beeinträchtigung festgestellt. Das geht aus einer am Donnerstag veröffentlichten Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg und der Universität Halle-Wittenberg hervor.

Viele Arbeitslose litten unter affektiven und neurotischen Störungen, Depressionen sowie seelisch bedingten körperlichen Leiden. Die Forscher berufen sich unter anderem auf Krankenkassendaten. Arbeitsvermittler in Jobcentern hätten den Anteil der psychisch kranken Hartz-IV-Betroffenen in Interviews auf 5 bis 40 Prozent geschätzt. Fallmanager der Behörde gehen sogar bei der Hälfte bis zu zwei Dritteln aller Hartz-IV-Empfänger von Problemen aus.

Die Studie ergab ferner, dass sich viele Mitarbeiter in Jobcentern im Umgang mit psychisch kranken Arbeitslosen überfordert fühlten. So falle es vielen schwer, überhaupt zu erkennen, ob jemand eine psychische Störung habe, berichten die Forscher. Dadurch komme es immer wieder zu Missverständnissen, da Jobvermittler die bei manchen Erkrankungen auftretende Symptome wie Antriebsmangel unter Umständen als geringes Interesse an einem Job interpretierten.

In den Augen mancher Jobcenter-Mitarbeiter erlaubten schon die Rahmenbedingungen nicht, dass sie sich angemessen um diese Gruppe kümmern könnten. So fehle es den Vermittlern wegen der Vielzahl der zu betreuenden Arbeitslosen an Zeit, auf psychisch Kranke einzugehen.

Fort- und Weiterbildungskurse, mit denen die Betroffenen fit für den Arbeitsmarkt gemacht werden sollen, seien außerdem oft zu kurz. «Zurückgegriffen wird oft mangels Alternativen auf Standardmaßnahmen der allgemeinen Förderung, die nur bedingt eine individuelle Ausrichtung ermöglichen», kritisieren die Autoren der Studie.

Die Wissenschaftler fordern daher dringend eine Fortbildung von Jobvermittlern. Es müsse vermieden werden, dass «die Fallbearbeitung in den Jobcentern bestehende Probleme verschlimmert, was durch inadäquate Ansprache, falsche Maßnahmezuweisung oder gar Sanktionen wegen fehlender Mitwirkung (...) der Fall sein kann», warnen sie. Auch müssten für diese Gruppe von Arbeitslosen passgenauere arbeitsmarktpolitische Instrumente entwickelt werden. Zudem solltendiese Menschen bei einer Jobvermittlung noch längere Zeit nachbetreut werden.

Nach Ansicht der Bundesagentur für Arbeit (BA) müssen die neuen Erkenntnisse Ansporn für eine bessere Betreuung der Betroffenen sein. «Wir fühlen uns von dieser Studie herausgefordert, dieses Thema noch intensiver zu bearbeiten als bisher», sagte das für Hartz IV zuständige BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa. Künftig müssten Mitarbeiter der Jobcenter noch besser für den Umgang mit Menschen mit psychischen Handicaps fortgebildet werden. Aber auch Unternehmen sollten psychisch eingeschränkten Menschen eine Chance geben.

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