Ernstfall Ärztemangel: Mobile Mediziner für Landbevölkerung

Berlin (dpa) - Der Ärztemangel rückt näher - Patienten auf dem Land müssen sich verstärkt auf eine Versorgung mit mobilen Medizinern von außerhalb einstellen. «In einem Dorf wird montags und dienstags zum Beispiel ein Hausarzt sein, der Frauen- und der Augenarzt wird einmal in der Woche dort sein», sagte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Köhler, der Nachrichtenagentur dpa in Berlin.

Das Ärzte-Gesetz von Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) ebne diesem Szenario den Weg. Bei Verbesserungen für Schwerkranke droht es laut KBV aber zu versagen. Im Bundestag stehen aufwendige Verhandlungen an - das umfangreiche Gesetz soll ab 2012 gelten.

Köhler warnte davor, sich von der flächendeckenden Versorgung zu verabschieden. Bahr hatte das Ziel gesetzt: «Wir wollen, dass der Landarzt für die Menschen nicht nur in einer idyllischen Vorabendserie existiert.» Doch angesichts von 52 000 Ärzten, die bis bis 2020 ersetzt werden müssten, geht die KBV von einem Umbruch aus.

Der Nachwuchs ist laut KBV rar. Nur in Ballungsräumen würden die Menschen ambulant in zehn Jahren ähnlich wie heute betreut. Das Land werde verstärt von fern versorgt: «Wir werden an den Speckgürteln größere Ärzte-Kooperationen haben, die über mobile Arztstationen, über Filialpraxen die Fläche versorgen.» Zentral sei die geplante Aufhebung der Residenzpflicht: Ärzte sollen künftig nicht mehr in der Nähe ihrer Praxis wohnen müssen.

Von Kassenseite und Opposition wird bezweifelt, dass Bahrs Ärzte-Gesetz drohendem Medizinermangel auf dem Land wirkungsvoll begegnen kann. Für den neuen Chef der AOK Baden-Württemberg, Christopher Hermann, ist es etwa eine «maue Nummer»: Geplante finanzielle Anreize für Landärzte seien zu klein - doch könnten sich weiter Mediziner in gut versorgten Städten niederlassen. Ähnlich argumentiert die SPD.

Reihenweise will die Koalition Änderungsanträge für das eigene Gesetz einbringen. Köhler machte dafür Bedenken des Finanzministeriums verantwortlich. Demnach droht das Ärzte-Gesetz weit teurer als die veranschlagten bis zu 320 Millionen Euro pro Jahr zu werden. «Für uns ist nicht erkennbar, wie das Gesetz am Ende aussehen wird», sagte der KBV-Chef. «Das ist nicht zufriedenstellend.»

Patienten müssen sich künftig laut Köhler auch darauf einstellen, dass mehr Behandlungen und Beratungen nicht mehr wie bislang vom Arztselbst gemacht werden. Die KBV begrüße den Auftrag der Politik an die Ärzte, solche Leistungen aufzulisten. Gemeinschaftspraxen oder Arzt-Gruppen würden künftig mehr Arbeit an Angestellte und Pflegekräfte delegieren, sagte Köhler. Dabei kündigt sich aber Streit an. «Seitens der Pflege will man an die Honorartöpfe der Ärzte», sagte Köhler. «Das wollen wir nicht zulassen.»

Ärger gibt es auch bei einem Herzstück des Gesetzes: der «spezialärztlichen Versorgung» für Schwerkranke etwa mit Krebs, schwerer Herzinsuffizienz oder HIV/Aids. Das oft riskante Hin- und Herschieben von Patienten zwischen Kliniken und Praxen ohne größere Absprache soll eingedämmt werden. Doch droht der Bahr-Reform laut Köhler dieser innovative Kern verlorenzugehen: Ob die Neuerung wie beschlossen bleibe, sei wegen des Widerstands der Länder offen. Bahr hatte im Bundesrat Gesprächsbereitschaft signalisiert. Die Länder fürchten eine Kostenexplosion.

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