Cool durch die Kälte: Pferden macht der Winter wenig aus

Leipzig (dpa/tmn) - Pferde sind eigentlich Sensibelchen, doch bei Kälte reagieren sie alles andere als empfindlich. «Sie haben eine ausgezeichnete Thermoregulation», erklärt Dirk Lebelt, Fachtierarzt für Pferde von der Tierklinik Havelland in Brandenburg. Am wohlsten fühlen sie sich bei Temperaturen zwischen minus zehn und plus zehn Grad. Mit einem harten Winter kommen sie deshalb gut zurecht.

Niedrige Temperaturen führen aber häufig zu einem Irrtum im Pferdestall: Die Reiter übertragen ihre eigne Empfindlichkeit auf die Pferde, legen ihren Tiere eine Decke auf und schließen das Fenster zur Box, damit das Pferd nicht friert. Vor allem mit letzterem tun sie ihrem Tier keinen Gefallen: Wegen des geschlossenen Fensters wird die Luft in der Box miefig, und das schädliche Ammoniak des Urins im Stroh schlägt den Pferden auf die empfindlichen Bronchien.

Voraussetzung für eine funktionierende Thermoregulation ist ein Winterfell, das allen Pferden im Frühherbst wächst. «Wenn Pferde ein Winterfell haben, brauchen sie keine Decke», betont Prof. Gerald Fritz Schuster, Direktor der Medizinischen Tierklinik der Universität Leipzig. Freizeitpferde dürfen die Haardecke, die ihre Haut perfekt isoliert und warm hält, in der Regel behalten.

«Sportpferde werden geschoren, schließlich werden sie auch den Winter über ganz normal trainiert», sagt die Bereiterin Christina Hammann aus Offenbach. Ein Dressur- oder Springtraining mit Winterfell wäre für ein Pferd so ähnlich, als würde ein Mensch im Pelzmantel joggen. Hinzu kommt, dass es lange dauert, bis die langen Haare wieder trocken sind - die Gefahr einer Erkrankung steigt. Bei Sportpferden kommt daher im Spätherbst das Fell herunter. «Danach muss das Pferd auf jeden Fall fast ständig eine Decke tragen», sagt Hammann.

Es gibt etliche Möglichkeiten, ein Pferd zu scheren. Manche scheren die Haare an allen Körperteilen ab, meist bleibt jedoch das Fell am Kopf, an den Beinen und an der Sattellage stehen. Denn nimmt man den Pferden zu viel Fell weg, macht sie das sehr empfindlich. Sogar bei Ausritten müssen sie eine Decke tragen. Eine Alternative ist die Halbschur. Dabei wird das Fell am Hals komplett oder zur Hälfte geschoren, an der Sattellage und am Hintern bleibt es am Körper. Damit ist die kälteempfindlichste Stelle am Pferdekörper - die Leistenregion - weiterhin mit langem Fell bedeckt.

Mittlerweile können die Pferde in vielen Ställen auch die Wärme und das Licht eines Solariums genießen. Vor dem Training wird so ihreMuskulatur erwärmt, anschließend trocknet das nasse Fell unter dem Solarium schneller.

Ebenso wie Menschen können sich auch Pferde in der Winterzeit relativ leicht eine Erkältung einfangen, die von Bakterien oder Viren verursacht wird. Auch ihnen läuft die Nase, sie husten, fühlen sich schlapp, manche bekommen Fieber. «Eine harmlose Virusinfektion muss man nicht unbedingt behandeln, das Immunsystem bekommt sie meist aus eigener Kraft in den Griff», erklärt der Tierarzt Lebelt. Bei einer bakteriellen Infektion ist die Sache deutlich ernster. Ein möglicher Hinweis auf eine solche Erkrankung ist ein gelblicher Nasenausfluss. Der Tierarzt spritzt in diesem Fall Antibiotika, außerdem wird meistens ein Schleimlöser verschrieben.

Auf jeden Fall braucht das Pferd Ruhe. Wenn es kein Fieber hat und nicht allzu schlapp ist, darf es geritten werden. Zum Beispiel im Gelände - solche Ausritte bringen auch für gesunde Tiere etwas Abwechslung in den oft öden Winteralltag. Denn viele müssen ihre Tage während dieser Jahreszeit im Stall verbringen. «Aber eigentlich dürfen und sollen Pferde auf die Weide», sagt Prof. Schuster. Dass die Realität anders aussieht, hat zwei Gründe. Zum einen beschädigen die harten Pferdehufe auf dem nassen Boden die Grasnarbe, zum anderen fürchten die Besitzer Unfälle bei nassem oder gefrorenem Boden.

Die Pferde können rutschen, hinfallen und sich im schlimmsten Fall die Knochen brechen - das ist meist für sie das Todesurteil. «Da gibt es schlimme Unfälle», bestätigt der Tierarzt Lebelt. Betroffen sind allerdings kaum die Pferde, die täglich auf die Koppel dürfen. Sie haben weniger Bewegungsdrang als ihre in der Box eingesperrten Artgenossen, außerdem konnten sie sich langsam an den veränderten Boden gewöhnen. Sie sind daher vorsichtig. «Meist geben nur Pferde, die selten auf die Koppel kommen, richtig Gas», sagt Lebelt.

Ein wirksames Mittel gegen das Rutschen auf Schnee sind kleine Stollen, die der Schmied an den Eisen befestigt. Außerdem empfehlen sich bei beschlagenen Pferden sogenannte Snowgrips. «Das sind Einlagen in den Hufeisen, die verhindern, dass der Schnee sich darin klumpt», erklärt Hammann. Unbeschlagene Pferde brauchen hingegen keinen besonderen Schutz.

Info-Kasten: Spezielles Futter ist unnötig

Eher unkompliziert ist die Fütterung von Pferden im Winter. Das Wichtigste ist ausreichend Heu, ansonsten muss bei gut genährten Pferden nichts verändert werden. Manche Pferde speisen im Winter auch mal gerne warm, zum Beispiel mit warmem Wasser verrührte Weizenkleie. «In unserem Stall kriegen sie das mehrfach wöchentlich als Mittagessen», sagt die Bereiterin Christina Hammann aus Offenbach. Auch Kräutertee trinken viele Pferde gerne, hoch angesehen sind bei ihnen nicht nur zur Winterzeit Äpfel, Karotten und Bananen.

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