AOK prüft mögliche Rezept-Schummeleien in Apotheken

Haben Apotheker bei der Abrechnung von Rezepten in großem Umfang geschummelt - oder ist das Ganze nur ein lässtiger Fehler? Der AOK-Krankenkassenverband jedenfalls beklagt tausende von Falschabrechnungen und will die Staatsanwälte einschalten.

Berlin (dpa) - Die AOK-Krankenkassen sind offensichtlich von mehreren tausend Apotheken bundesweit für Medikamente zur Kasse gebeten worden, die gar nicht auf dem Markt sind. «Die AOK prüft derzeit die Vorfälle und wird entsprechend die zuständigen Staatsanwaltschaften einschalten», sagte ein Sprecher des AOK-Bundesverbandes am Freitag in Berlin. Allein im Juni seien 30 000 Fälle bekanntgeworden, in denen Rezepte mit einem derzeit nicht auf dem Markt befindlichen Medikament bedruckt und abgerechnet wurden.

Der Deutsche Apothekerverband (DAV) reagierte empört. Der AOK-Bundesverband verunsichere derzeit «wider besseren Wissens die Öffentlichkeit und versucht, eigene Fehler zu kaschieren», heißt es in einer Stellungnahme. Die Rabattverträge seien das «eigentliche Problem», was aber verschwiegen werde. «Denn seit Inkrafttreten der jüngsten Rabattverträge waren und/oder sind immer noch einige Hersteller, die von der AOK mit Zuschlägen beglückt wurden, nicht lieferfähig.»

Dadurch seien die Apotheken in die Lage gekommen, ein Medikament abgeben zu müssen, das nicht existiert. Um AOK-Patienten doch zu versorgen, habe man wirkstoffgleiche Arzneimittel abgegeben. Der DAV räumte ein, dies sei möglicherweise fehlerhaft dokumentiert worden. «Richtig ist, dass wir solche Fälle mit den Krankenkassen klären müssen», sagte der DAV-Vorsitzende Fritz Becker. Dies sei geschehen. Er nannte es aber «grotesk, wenn die AOK Verträge mit Herstellern abschließt, die nicht eine einzige Packung liefern können - und am Ende die Apotheken für die Folgen verantwortlich gemacht werden».

Das Bundesgesundheitsministerium wollte den Vorgang nicht bewerten. Man gehe - so ein Sprecher - davon aus, dass sich die Apotheken an gesetzliche Regelungen und Verträge halten - «und sich ihrer besonderen Verantwortung bewusst sind». Es bleibe das Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen abzuwarten.

Was die Patienten in den Apotheken tatsächlich erhielten, ist nicht bekannt. Auch die Schadenshöhe könne noch nicht beziffert werden, sagte der AOK-Sprecher. Eine akute Gesundheitsgefahr für die Betroffenen bestehe bei wirkstoffgleichen Medikamenten nicht. Diese seien grundsätzlich austauschbar. Bei den aufgedeckten Fällen geht es um ein Mittel zur Blutdrucksenkung.

«Bei den bekanntgewordenen Fällen handelt es sich möglicherweise um die Spitze eines Eisberges», sagte der Sprecher. «Derart falsch abgerechnete Arzneimittel fallen leider im Normalfall nicht auf. Der Stein ist jetzt nur deshalb ins Rollen gekommen, weil dasaufgedruckte Medikament nachweislich noch nie am Markt verfügbar war, der Hersteller aber trotzdem Rechnungen für den gesetzlich festgelegten Großhandelsrabatt erhalten hat.»

«Es gibt keine Konstellation, in der eine Apotheke ein anderes Medikament abrechnen darf, als sie tatsächlich abgegeben hat», sagte der AOK-Sprecher. Wenn doch, sei dies zu begründen. Es sei zu befürchten, «dass eine Vielzahl von Apotheken hier bewusst und systematisch vorgegangen ist». Erst am Donnerstag hatte der Kassen-Spitzenverband Falschabrechnungen der Krankenhäuser in Milliardenhöhe kritisiert.

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