Manisch-depressive Erkrankung

Wissen zu Manisch-depressive Erkrankung (bipolare affektive Störung)

Eine manisch-depressive Erkrankung gehört zu den affektiven Störungen, bei denen die Affekte, die Stimmung und das seelische Erleben verändert sind. Es handelt sich um eine bipolare Störung, die in zwei Phasen verläuft – einer von übersteigerter Hochstimmung und einer Phase von depressiver Verstimmung. Die jeweilige Gefühlslage ist intensiv und in einem Extrem gefangen.
"Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt" – so wird der Betroffene von anderen Menschen wahrgenommen. Die Stimmungslage wechselt in Episoden zwischen Euphorie und tiefster Hoffnungslosigkeit, wobei letztere bis hin zu regelrechter Erstarrung reicht. Die Betroffenen sind ihrer Stimmungslage unterworfen und können sie in der Regel nicht bewusst lenken.
Während einer manischen Phase fühlt sich der Betroffene euphorisch großartig, oft sogar besser als je zuvor, und zeigt keine Krankheitseinsicht. Alle, außer ihm selbst, merken, dass etwas nicht stimmt. Die Stimmung ist unangemessen hoch und gereizt überzogen, die Gedanken überschlagen sich und der Antrieb ist gesteigert.
Beginnt die depressive Phase, ist er wie ausgewechselt und fühlt sich extrem unwohl, sieht sich, je nach Schweregrad dieser Phase, kaum bis nicht mehr in der Lage, mit seinem Leben und anderen Menschen umzugehen. Das Denken kann wie gelähmt sein und die Welt erscheint grau und hoffnungslos.
Diese Phasen können mehrfach wechseln oder auch nur jeweils einmal auftreten. Von Rapid Cycling wird gesprochen, wenn diese Phasen sehr schnell ineinander überwechseln, was manchmal nach mehreren depressiven und manischen Episoden geschieht. Meistens liegen zwischen den Phasen, die im Durchschnitt drei bis sechs Monate andauern, gesunde Phasen, in denen keine Auffälligkeiten bestehen.
Von bipolaren Störungen wird auch gesprochen, wenn die Intensität und Dauer der Episoden geringer ist. Dabei wechseln sich Phasen leichter Depressivität und leicht manische Phasen (Hypomanie) ab. Ganz selten sind Mischtypen, bei denen manische und depressive Symptome gleichzeitig auftauchen. Zwischen den Phasen ist der Betroffene meistens völlig gesund. Häufig tritt die erste manisch-depressive Phase zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr auf, sowohl bei Männern als auch Frauen. Betroffen sind circa ein Prozent der Bevölkerung.

Ursachen

Bei einer manisch-depressiven Störung sind mehrere Faktoren von Bedeutung. Besonders bei bipolaren Störungen wird ein angeborenes Risiko angenommen. Studien konnten ein Ungleichgewicht der Übermittlersubstanzen (Neurotransmitter) des Gehirns festellen, die für eine gesunde Weiterleitung und Verarbeitung von Informationen zuständig sind. Entwicklungsfaktoren spielen eine ebenso große Rolle, beispielsweise ein ängstlich-fürsorglicher Erziehungsstil oder traumatische Erlebnisse in der frühen Kindheit, besonders im ersten Lebensjahr. Aber auch chronische Konflikte oder akute Verluste können eine bipolare Störung begünstigen. Eine somatische (körperliche) Erkrankung sollte zunächst über eine ärztliche Untersuchung ausgeschlossen werden, denn auch diese kann, ebenso wie bestimmte Medikamente, großen Einfluss auf die Stimmung haben und zu erheblichen Stimmungsschwankungen führen. Gehirn- und Stoffwechselerkrankungen sind gesondert abzuchecken, besonders bei Menschen ab dem 40. Lebensjahr.

Diagnose zu Manisch-depressive Erkrankung (bipolare affektive Störung)

Diese Störung lässt sich über die extremen Stimmungslagen sehr gut erkennen und von Psychologen oder Ärtzten diagnostizieren. Es wird der psychopathologische Befund und die Krankengeschichte erhoben – sowohl als Befragung des Betroffenen, als auch über die Befragung der Angehörigen, da sich Betroffene, zumindest in der manischen Phase, häufig als völlig normal wahrnehmen.
Es sind die Verwandten, die mitunter sehr an den Symptomatiken leiden. Es wird nach möglichen auslösenden Ereignissen, nach Konflikten in der Partnerschaft oder im Beruf und anderen psychischen und körperlichen Erkrankungen gefragt.
Tritt eine der beiden Phasen zum ersten Mal auf, ist sie noch nicht von der unipolaren (nur manischen oder nur depressiven) Störung abzugrenzen.
Erst durch die zweite, entgegengesetzte Phase zeigt sie sich eindeutig.

Besonders bei über 40jährigen sind folgende Untersuchungen angeraten, um mögliche somatische Ursachen auszuschließen:
  • internistische und neurologische Untersuchungen
  • Blutbild mit Bestimmung der Schilddrüsenwerte, Leber- und Nierenwerte und Bestimmung der Versorgung mit Mineralien
  • Elektro-Kardiogramm (EKG) und Elektro-Enzephalogramm (EEG)

Symptome in der depressiven Phase:

  • Niedergeschlagenheit und gedrückte Stimmung. Zur Diagnose muss dieser Zustand über mindestens 2 Wochen anhalten.
  • Hoffnungslosigkeit, fehlender Antrieb, Freudlosigkeit – mitunter das Gefühl der Gefühllosigkeit
  • Schlafstörungen – vor allem Durchschlafstörungen in der zweiten Nachthälfte
  • Appetitlosigkeit
  • starre Mimik und ausdrucksloses Gesicht
  • leise und verzögerte Sprache – als Ausdruck fehlenden Selbstbewusstseins, dabei Selbstvorwürfe
  • Die Gedanken kreisen oft zwanghaft um Tod und Selbstmord

Symptome in der manischen Phase:

  • euphorische oder gereizte Stimmung: Zur Diagnose muss mindestens eine Woche lang dieser gesteigerte Antrieb, das Bedürfnis etwas zu tun, vorhanden sein.
  • Aggressionen und Ungeduld, Reizbarkeit, hohes Energieniveau und mangelndes Schlafbedürfnis bei gesteigertem Rededrang. Die Betroffenen sprechen viel und die Stimme ist dabei kräftig. Ihnen mangelt es an Sensibilität für die Bedürfnisse und Gefühle der Mitmenschen.
  • Sie berichten über gesteigerte Sinneswahrnehmungen.
  • Hemmungsloses und unkritisches Verhalten ist zu beobachten, gesteigerte Impulsivität und Spontaneität. Dies führt häufig zum einem Kaufrausch. Sie überschätzen sich bis hin zum Größenwahn. Immer ist das Selbstbewusstsein sehr hoch, was besonders bei Hypomanien noch anziehend und begeisternd wirken kann, zum Beispiel bei Künstlern, Managern und Sprechern im Rausch ihrer Kreativität.
  • In einer stark ausgeprägten manischen Phase können die Betroffenen sich selbst oder andere gefährden und eine richterliche Einweisung auf stationäre Unterbringung ist dann häufig der unumgängliche Ausweg. Zurück bleiben oft hohe Schulden, gekündigte Freundschaften und Jobverlust.

Behandlung zu Manisch-depressive Erkrankung (bipolare affektive Störung)

Wie die depressive Phase behandelt wird, hängt davon ab, wie stark sie ausgeprägt ist. Bei leichten Fällen ist häufig schon eine Psychotherapie ausreichend. Bei schwereren Fällen werden aber zusätzlich Medikamente (Antidepressiva) notwendig. Die medikamentöse Behandlung lässt sich allgemein in eine Akutbehandlung, eine anschließende Stabilisierungsherapie (oft sechs bis zwölf Monate) und gegebenenfalls eine Rückfallverhinderung unterteilen.

Zu den Antidepressiva zählen folgende Medikamente-Klassen:

  • Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer sind Arzneimittel, die die Wiederaufnahme des Botenstoffes Serotonin im Gehirn verhindern und es dadurch dem Gehirn länger zur Verfügung stellen.
  • Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer verhindern die Wiederaufnahme von Noradrenalin auf dieselbe Art und Weise.
  • Trizyklische und Tetrazyklische Antidepressiva erhöhen hingegen die Wirksamkeit beider Botenstoffe Noradrenalin und Serotonin.
  • Mono-Amino-Oxidase-Hemmer (MAO-Hemmer) sind Arzneimittel, die das Enzym MAO blockieren, wodurch der Abbau von Noradrenalin und Serotonin im Gehirn verlangsamt wird.

Der behandelnde Arzt (Neurologe oder Psychiater) bemüht sich in der Regel, das individuell am besten passende Medikament zu finden. Er behält dabei das jeweilige Alter, das Körpergewicht, die körperlich-geistige Verfassung und eventuell bestehende Erkrankungen im Blick. Ist die Depression sehr ausgeprägt, zum Beispiel wenn sich die Gedanken um Selbstmord drehen, lässt es sich nicht vermeiden, den Betroffenen in ein Krankenhaus einzuweisen.
Bei einer manischen Phase muss fast immer mit antipsychotischen Medikamenten (Neuroleptika) behandelt werden. Und auch hier sind Medikamente zur Rückfallverhinderung üblich. Häufig beobachtet werden kürzere leichte bis mittelschwere depressive Phasen direkt nach einer manischen Phase. Im Anschluss daran empfiehlt sich ebenfalls eine Psychotherapie. Oft wird eine Verhaltentherapie oder eine kognitive Gesprächstherapie empfohlen. Diese Therapieform geht lern- und veränderungsorientiert vor, wobei großer Wert auf Kooperation und gemeinsames Arbeitsbündnis gelegt wird.

Die Phasen lassen gliedern sich:
1. Stabilisierung
2. Umstrukturierung von gedanklichen Mustern wie Denkverzerrungen bewusst machen und neue Bewertungen erwägen
3. Aufbau von sozialen Kompetenzen, wobei negative Erfahrungen in neuem Licht angeschaut werden (reframing).
4. Motivation zur Aktivität: Hier werden positive Erfahrungen erlebbar gemacht.

Prognose

Umso früher eine Behandlung begonnen werden kann, umso erfolgsversprechender sind die Aussichten. Dies gilt für beide Phasen. Eine medikamentöse und unterstützend psychotherapeutische Behandlung ist auf jeden Fall – sofern möglich – einer nur medikamentösen vorzuziehen und bringt spürbare Vorteile für die Betroffenen.
Durch begleitende oder auf die Medikation folgende psychotherapeutische Unterstützung kann die Medikamentengabe teilweise auf eine geringere Dosis reduziert werden, was das Risiko von Medikamenten-Nebenwirkungen senkt. Aber auch die Förderung sozialer Kontakte wird über die Psychotherapie möglich, Arbeit kann wieder aufgenommen werden, was insgesamt gesunde Prozesse in Gang setzt. Entscheidend für die Prognose ist eine gute Zusammenarbeit des Betroffenen mit dem Behandler: in Bezug auf die Einnahme der verschriebenen Medikamente und die Annahme der Therapieangebote. Bestanden zwei starke depressive Phasen oder mehr als drei mittelschwere depressive Phasen, werden oft vorbeugend bestimmte Medikamente über einen längeren Zeitraum, in geringerer Dosierung, weitergegeben, um das Rückfallrisiko zu senken.
Dazu werden meistens Lithiumsalze (z. B. Lithiumcarbonat) oder Carbamazepin verordnet. Regelmäßige Kontrollen beim behandelnden Arzt oder Psychiater, als auch die mit Bezugspersonen zusammen ausgearbeiteten Früherkennungslisten, sowie die in das Früherkennen der Symptome eingeweihten Bekannten helfen, manische oder depressive Rückfälle rechtzeitig zu erkennen.

Selbsthilfe zu Manisch-depressive Erkrankung (bipolare affektive Störung)

Werden Symptome bemerkt oder wird sich das Umfeld über manisches Verhalten bewusst, sollte eine rasche Vorstellung beim Psychiater oder Arzt erfolgen, denn schnelles Eingreifen steigert die Zukunftsaussichten beachtlich. Im Therapieverlauf ist es wichtig, Angehörige und Bekannte möglichst weitläufig in den Therapieprozess einzubinden.
Informierte und sachkundige Angehörige, die sich auf die Besonderheiten einstellen können, sind eine große Stütze für den Betroffenen. Auch die Angehörigen finden sich dann im Umgang mit dem Betroffenen besser zurecht, was unnötigen Zerwürfnissen und Entfremdung entgegensteuert.
Auch für affektive Störungen gibt es lokale Selbsthilfegruppen, durch die sich der Betroffene über den intensiven Kontakt mit anderen Betroffenen gehalten und gesehen fühlen kann. Das führt in vielen Fällen zu einer besseren Wahrnehmung und Akzeptanz des eigenen Zustandes, als Voraussetzung dazu, gezielt Veränderungen vorzunehmen.
Wer keine Gruppe vor Ort findet, hat die Möglichkeit, über Internet-Foren Kontakte zu finden und sich mit anderen über eigene Erfahrungen mit dieser Störung auszutauschen. Informationen und Unterstützung sind auch auf diesem Wege möglich. Die Anonymität eines Forums bietet eine leichte Einstiegsmöglichkeit. Dies gilt sowohl für Betroffene, als auch für Angehörige.
Um das Rückfall-Risiko so gering wie möglich zu halten, ist besonderer Wert darauf zu legen, dass der Betroffene möglichst aktiv am sozialen, täglichen Leben teilnimmt. Die Einbindung in die Gemeinschaft und die Wichtigkeit des eigenen Platzes im persönlichen Umfeld sind die besten Vorraussetzungen für umfassende Gesundheit. Es geht auch darum, Sinn im eigenen Wirken zu sehen und Verantwortung zu übernehmen. Eine Umstrukturierung der sozialen Umwelt dahingehend wäre ein weiterer Schritt, für den beispielsweise familientherapeutische Angebote oder Sozialpädagogen Unterstützung anbieten.


Links zu Manisch-depressive Erkrankung (bipolare affektive Störung)

Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen e. V. (DGBS)
Postfach 16 02 25
01288 Dresden
http://www.dgbs.de/

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